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Transkript Berufsperspektiven Psycholog:innen



(Prof Dr Birgit Schroeder) Herzlich willkommen. Wir haben heute eine neue Folge zu unserer Reihe Herausforderungen im Gesundheitswesen. Wir wollen uns mit aktuellen Entwicklungen beschäftigen. In diesem Podcast geht es um Suizid, um Selbsttötung und damit um den Tod. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie dieses Thema vermeiden wollen, sollten Sie den Podcast bitte nicht hören oder zumindest nicht alleine. Vielen Dank! Zu diesem Thema habe ich mir eine Expertin eingeladen, eine Studiengangsleitung. Maren Metz ist heute hier. Guten Morgen! Wir haben einen Podcast, wo wir uns gegenübersitzen. Also heute nicht auf Distanz. Maren, schön, dass du dabei bist. Magst du dich vorstellen?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, vielen Dank für die Gelegenheit heute. Sehr gerne. Also ich bin Diplompsychologin von Haus aus und leite den Bachelor und den Master in Psychologie hier an der Hamburger Fern-Hochschule.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ja, super, dass du Zeit hattest. Freue mich sehr. Dann gleich so eine spannende Frage für mich. Warum überhaupt Psychologie studieren?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, Psychologie ist überall. Egal, wo man hinguckt, da, wo Menschen sind. Psychologen sagen, da, wo es menschelt, da ist die Psychologie auch. Und es geht um Beziehungsgestaltung. Und da können natürlich die Psychologinnen und Psychologen viel Einfluss nehmen und gestalten und unterstützen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Okay. Nun habe ich ja Jura studiert. Was habe ich also alles verpasst?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, ne ganze Menge. Jura und Psychologie ist gar nicht so weit weg. Von daher hat man ja auch mit Menschen zu tun, mit Schicksalen zu tun. Und ja, Psychologie würde natürlich sich wünschen, dass die Juristen auch hier und da mal gucken auf das Schicksal der Menschen an der Stelle. Aber ja, es ist halt ein ganz spannender Bereich, weil man sich natürlich von Anfang an, auch im Studium, schon identifizieren kann mit den Themen und immer auch wieder sich abgleicht und sieht: Kenne ich das eigentlich? Habe ich das auch schon mal erlebt und das ist vielleicht ja noch mal etwas, was auch besonders ist an der Psychologie.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Und was sollte ich mitbringen? Oder welche Eigenschaften brauche ich, um erfolgreich Psychologie studieren zu können?
(Prof Dr Maren Metz) Na ja, zunächst sollte man offen sein, sich interessieren für Menschen, für Menschen, wie sie so sind und warum sie so sind, ohne sie zu bewerten. Und ja, sich hineinversetzen können, andere Menschen gut zuhören können. Das sind sozusagen so die Hauptkompetenzen, die es benötigt, um offen zu sein und neugierig auf.. Was passiert da eigentlich?
(Prof Dr Birgit Schroeder) Okay, bis hierhin kann ich, glaube ich, noch mitgehen. Mal gucken, was erwartet mich denn in so einem Psychologiestudium dann so ganz konkret? Also was kommt da so auf mich zu, Womit muss ich rechnen?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, also im Bachelor geht es erstmal um Grundlagen. Erstmal muss man so eine Basis schaffen und da gibt es Grundlagenfächer. Da muss man dann erst mal was über Biopsychologie hören, etwas zur allgemeinen Psychologie, etwas zu Lernleistungen. Hier werden andere Teilgebiete mit der Psychologie verbunden, und die Zusammenhänge zu verstehen. Das ist das Wichtigste. Und dann gibt es erste Vertiefungen, wo man nach den Interessen gehen kann und so etwas wie Rechtspsychologie, zum Beispiel, vertiefen kann in dem Fach – und dann sozusagen die Verbindung herstellt. Und im Master ist es dann so, dass der Transfer geschaffen wird. Tatsächlich, die ganzen Grundlagen kommen immer wieder, aber immer wieder mit anderer Perspektive und immer mit anderer Verknüpfung. Und dann geht es darum, die ganzen Teilgebiete, das ganze Wissen zusammenzuknüpfen zu diesem einen Fall – und aus verschiedenen Perspektiven den dann zu betrachten und vielleicht auch zu beurteilen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Und was ist dran an dem Gerücht, dass man so viel Statistik hat im Psychologiestudium? Stimmt das oder stimmt das gar nicht?
(Prof Dr Maren Metz) Nein, das stimmt schon. Also Psychologie ist eine empirische Wissenschaft. Das ist keine Küchenpsychologie, wie so einige gerne dazu sagen. Natürlich ist es so wie beim Kochen. Es gibt immer den einen oder anderen, der sich schon einliest, der sich interessiert für den Menschen und der auch sozusagen so ein, ich sag mal, Halbwissen hat zur Psychologie. Aber das Studium selber bringt einem noch mal die ganze Empirie bei. Und das ist auch das Besondere. Ja, also die Psychologen haben ein bestimmtes Vorgehen, das man auch erwartet, wenn man jetzt einen Psychologen oder Psychologin sich einlädt. Und dieses Vorgehen ist ja empirisch und das ist sozusagen fundiert und es muss replizierbar sein, es muss nachweisbar sein. Es muss sozusagen dann also in der Wissenschaft auch zu allgemeinen Aussagen kommen. Das ist sozusagen das Beste, dass man sagen kann: Ja, Menschen sind so und so oder so und so, das gibt natürlich einfach noch mal so einen Hinweis. Nicht, dass es dann so ist. Die Landkarte ist nicht das Gebiet, aber es gibt so einen Hinweis. Und damit arbeiten Psychologen. Das ist sozusagen dann wieder die Grundlage, um zum Beispiel ein Gutachten zu erstellen für Kindeswohlgefährdung.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Und wenn ich jetzt so gar keine Affinität zu Mathe und zu Statistik habe, bin ich dann bei Psychologie völlig falsch oder kriegt man das dann im Bachelor Studiengang auch gut hin und wird entsprechend vorbereitet?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, genau. Also Mathe, das sind so die Grundrechenarten, die muss man draufhaben. Plus, Minus, Geteilt und Mal. Und das andere ist... also ist Statistik ist wie eine Fremdsprache. Ich sage immer, Sie müssen sich darauf einlassen. Also wie, als ob man jetzt Japanisch lernt. Und dann ist das tatsächlich was, was man lernt, also wann man welches Verfahren wo anschließt, wie man Daten auswertet, wie man andere Studien bewertet. Und ja, das ist alles erlernbar. Und wir begleiten natürlich auch, weil wir wissen, dass sozusagen die einen oder anderen Bedenken haben. Wir haben Tutorien, wir haben Möglichkeiten, Dinge durchzurechnen. Wir haben eine Statistik-App, wo man einfach mal lebendig sehen kann. Wie verändern sich dann Regressionen, zum Beispiel, wenn man Daten verändert? Und ja, das ist alles erlernbar. Und wir begleiten natürlich auch, weil wir wissen, dass sozusagen die einen oder anderen Bedenken haben. Wir haben Tutorien, wir haben Möglichkeiten, Dinge durchzurechnen. Wir haben eine Statistikapp, wo man einfach mal lebendig sehen kann: Wie verändern sich dann Regressionen, zum Beispiel, wenn man Daten verändert? Und ja, das macht es schon sehr anschaulich.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Also machbar?
(Prof Dr Maren Metz) Ja klar.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ist doch schon mal gut. Wunderbar. Und wenn ich jetzt Psychologie studiert habe, im Bachelor und vielleicht auch noch den Master, was kann ich dann damit alles machen?
(Prof Dr Maren Metz) Also erst mal ist es besonders bei den Psychologen, dass man sich nach dem Master Psychologie erst Psychologin oder Psychologe nennen darf. Denn nach dem Bachelor darf ich das noch gar nicht. Da darf ich nur sagen: Ich habe Psychologie studiert. Und von daher macht das sehr viel Sinn. Oder die meisten studieren auch den Master und beenden den, um dann diese Qualifikation haben zu können und auch die Identität und sagen können: Ich bin richtige Psychologin, ich bin Psychologe.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Und wo lande ich dann genau?
(Prof Dr Maren Metz) Also unterschiedlich. Es kommt immer darauf an, ob jetzt das Interesse da ist, in die Wirtschaft zu gehen. So, die Klassiker wären das Personal, der Personalbereich, Personalentwicklung, interne oder externe Unternehmensberatung, dann vielleicht auch zum Thema Personal oder aber, dass man in den Bereich Gesundheit geht. Betriebliche Wiedereingliederung zum Beispiel ist auch ein großes Thema. Man kann sich aber genauso selbstständig machen als Trainer, als Trainerin oder als Coach zu speziellen Themen. Man kann natürlich auch in den klinischen Bereich gehen. Man kann in Kliniken dann unterschiedliche therapeutische Richtungen umsetzen. Oder aber es gibt ja auch Vereine, Reha-Institutionen. Also von daher ist das alles offen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Das heißt ich habe ganz viele Möglichkeiten, die mir dann einfach nach so einem Studium offenstehen. Gibt es auch was, was ich nicht werden kann mit dem Master Psychologie?
(Prof Dr Maren Metz) Gute Frage. Mir kam gleich der Mechatroniker in den Kopf. Also es ist erstaunlich, wo die Psychologen alles landen. Also wenn es um die Entwicklung eines Autos geht, sind auch Psychologen mit am Start. Die nämlich überlegen: Wie laut muss das Auto sein, damit die Unfallgefahr niedrig gehalten wird? Damit die Menschen auch noch hören, da kommt ein Auto, und nicht alle reihenweise überfahren werden. Von daher also... es sind überall die Psychologen auch zu finden, sei es in der Stadtplanung, klassischerweise natürlich auch in der Marktforschung. Da sind die, die Statistik ganz besonders gerne haben. Und ja, also ich wüsste nicht, wo man sagen sollte, da sind jetzt keine Psychologen, sondern die Gesellschaft wird ja immer offener und versteht immer mehr: Was machen Psychologen? Wofür sind die gut? Wo kann ich sie einsetzen? Und von daher bin ich eher immer überrascht, wo sie alle schon sind.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ja, ist doch wunderbar. Ja, und ich habe immer so die Assoziation beim Einkaufen, weil ich immer denke, was haben die sich da jetzt wieder überlegt, dass diese Artikel in meinem Korb landen?
(Prof Dr Maren Metz) Genau das ist natürlich auch als ein Bereich der Psychologie zu sehen. Wie regen wir Menschen an, möglichst viel zu kaufen oder Dinge zu kaufen, die sie eigentlich gar nicht brauchen? Das ist ja in der Markt- und Werbepsychologie natürlich auch ein Bereich.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Nun hast du ja schon gesagt, die Gesellschaft wird immer offener. Das heißt auch, der ganze Bereich Psychotherapie kommt ja immer mehr so ein bisschen auch in den Fokus. Da müssen wir vielleicht noch mal so ein bisschen die Begrifflichkeiten auseinanderhalten, weil ich immer das Gefühl habe, ganz häufig wird der Begriff Psychologe, Psychotherapeut und Psychiater schon synonym gebraucht. Vielleicht kannst du das einfach noch mal ein bisschen auseinandersortieren. Ja, unbedingt. Also das versuche ich jedes Mal, wenn ich mit Studierenden spreche, das auseinander zu halten und dafür zu werben, dass das klarer wird und nicht so vermischt wird. Also ein Psychologe, eine Psychologin, das sind diejenigen, die den Master in Psychologie, den Bachelor in Psychologie und Master in Psychologie, abgeschlossen [haben]. Die dürfen sich Psychologen und Psychologinnen nennen. Wenn sie dann noch weiter gehen in den therapeutischen Bereich und die Therapieausbildung abschließen, dann dürfen sie sich Psychotherapeut nennen. Das geht natürlich nur bei psychotherapeutischen Weiterbildungen, also therapeutischen Richtungen, die sie dann beenden. Und Psychiater sind tatsächlich Menschen, die Medizin studiert haben und auf das Medizinstudium dann sozusagen das Fach Psychiatrie drauf studiert haben. Also ganz unterschiedliche Ausbildungsgänge sozusagen.
(Prof Dr Maren Metz) Also man kann sagen, früher war es so, der Psychiater, der durfte halt Medikamente verordnen. Das durfte der Psychologe, der Psychotherapeut nicht. Jetzt gab es ja die Psychotherapeutenreform. Das wird jetzt sozusagen gleichgestellt. Das ist wirklich ein großer Schritt für die Psychologen, dass sie zumindest die Medikamente dann nachher als Psychotherapeut auch verschreiben dürfen, die für die Psychotherapie selber wichtig sind.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Wie stehst du denn jetzt selber, dann ja als Psychologin, zum Thema Coaching?
(Prof Dr Maren Metz) Ich bin selber ausgebildeter Coach, von daher. Coach, also Coaching, ist sozusagen in der Abstufung Psychotherapie - Coaching etwas Wichtiges, was sozusagen vorher laufen kann. Wenn man sozusagen nicht in eine Therapie möchte und eher was hat, was sozusagen auf einer Kommunikationsebene geklärt werden kann, ist das eine tolle Intervention, wo Außenstehende helfen können, Struktur geben können, um sich zu klären, um Dinge klarer zu sehen, um mit anderen ins Gespräch zu kommen. Von daher finde ich das eine ganz wichtige Tätigkeit. Wie Mediation, jetzt auch psychologische Mediation, um einfach den Menschen auch weiter zu bringen. Ich glaube, dieses Reflektieren ist etwas, was wichtig ist, was schon immer wichtig war, aber auch in Zukunft noch wichtiger wird, dass wir selber mit uns in Kontakt sind, dass wir selber schauen, wo stehe ich gerade, wie geht es mir? Und das fällt nicht allen Menschen leicht, oder es haben nicht alle Menschen auch so gelernt. Und da sich jemand zu holen, um das zu lernen und zu gucken: Wo stehe ich eigentlich gerade? Wie geht es mir? Das ist, finde ich, eine wichtige Sache, um dann entscheiden zu können: Was mache ich damit?
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ich frage deswegen, weil man ja ganz häufig hört, dass Menschen, die auf einen Therapieplatz warten, und ja teilweise gerade im ländlichen Bereich, wahnsinnig lange Wartezeiten haben... dass die sich dann aus ihrer Not heraus an so Coaching-Angebote wenden. Und da wirft man denen ja immer so ein bisschen vor, das ist ja kein geregelter Ausbildungsberuf. Also da weiß ich ja nicht so genau, an wen komme ich. Wenn ich an einen Psychotherapeuten komme oder auch an einen Psychologen, dann weiß ich, die haben eine bestimmte strukturierte Ausbildung durchlaufen, da gibt es ein Curriculum, da gibt es eine Prüfung. Das habe ich im Coachingbereich ja nicht. Wie siehst du das? Ist das mehr so eine Überbrückungslösung? Quasi, bis ich dann so einen Therapieplatz habe? Kann das hilfreich sein?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, zwei große Probleme: Das eine ist der Titel. "Coach" ist tatsächlich nicht geschützt. Daher ist es wichtig, wenn man vorhat, ein Coaching anzufangen, dass man tatsächlich diejenige oder denjenigen durchleuchtet und guckt: Was hat er eigentlich gemacht? Welcher Zusatzausbildung hat er? Wie, in welche Richtung geht das Coaching? Das kann ja auch ganz, ganz unterschiedlich sein. Und [dass man] abgleicht: Will ich so vorgehen? Ist das sozusagen meins? Passt das zu mir? Ist das das Gleiche, was man bei Psychotherapie auch machen würde? Es gibt ja auch unterschiedliche therapeutische Richtungen, um zu gucken: Ist das so meins? Tatsächlich, das ist das zweite Problem, gibt es lange Wartezeiten auf einen Therapeutenplatz. Ich will es jetzt nicht mehr werten, aber es ist natürlich eigentlich für Personen, die Unterstützung, Erleichterung bringen, ein Unding. Aber es ist nun mal so, da könnte man jetzt wahrscheinlich stundenlang über die Politik sprechen und warum das so ist und warum das so eingefädelt ist. Aber Coaching ist tatsächlich keine... ist nicht Therapie. Das muss man ganz klar abgrenzen von der Tiefe her, was besprochen wird, worum es geht. Das kann man aber pauschal nicht sagen. Also wenn es ein Thema ist, das einfach weiterhilft, dass jemand da ist und jemand begleitet und man das Gefühl hat, man ist nicht alleine in der Zeit, kann es genauso gut und hilfreich sein, bis man einen therapeutischen Platz hat und dann natürlich ganz andere Themen nochmal anspricht.Und tatsächlich so viel Hilfe, ja, dass es irgendwie weitergeht.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Also ich kenne tatsächlich aus dem anwaltlichen Bereich auch diese Beispiele, wo Leute ewige Monate auf einen Therapieplatz warten, wo aber sozusagen von der Diagnose her eine gewisse Intensität noch nicht erreicht ist, dass man jetzt sagt, okay, das muss akut stationär behandelt werden und die dann eben so ein Erstgespräch häufig bekommen, aber dann geht es irgendwie nicht weiter. Und das ist ja für die Betroffenen wirklich eine Katastrophe. Also ich habe letztens so einen schönen Vergleich gelesen: Es sterben in Deutschland rund 10.000 Menschen durch Suizid. Sehr viel mehr Männer als Frauen. Und ein Großteil dieser Suizidenten ist ja... oder bei denen wird zumindest eine psychiatrische Erkrankung unterschiedlicher Schwere diagnostiziert, häufig eine schwere Depression beispielsweise. Und da hatte jemand so den Vergleich gebracht, es wäre irgendwie komisch, dass in einem Gesundheitssystem eine zahnärztliche Vorsorgeuntersuchung zweimal im Jahr bezahlt wird, wo es ja vermeintlich nur – in Anführungsstrichen, die Zahnärzte, die zuhören, mögen uns das verzeihen, – um Zähne geht, aber wir offensichtlich eine so hohe Anzahl von Menschen in Kauf nehmen, die dann, weil sie nicht behandelt worden sind, dann diesen tragischen Ausweg in den Suizid sucht. Wie siehst du das?
(Prof Dr Maren Metz) Ja, das ist ein komplexes Thema, Suizid. Also auf der einen Seite erlebe ich schon, dass die Gesellschaft aufmerksamer wird, genauer hinhört und dass sich Menschen auch Sorgen machen und sich dann an Institutionen wenden und sagen: Hier, ich habe Bedenken. Mein Mann äußert das und das. Was? Wie kann ich Ihnen helfen? Das ist schon mal wichtig, dass wir da nicht weggucken, sondern dass wir es ernst nehmen und dass wir versuchen zu helfen. Natürlich ist es ein Kostenfaktor. Man kann es auch sehr ökonomisch sehen und für die Krankenkassen ist Therapie nicht günstig. Und natürlich gibt es da auch Bestrebungen zu sagen: Bitte nicht so viel. Aber es nützt ja nichts, wenn gerade die psychischen Erkrankungen vielleicht auch tatsächlich durch was auch immer steigen oder man aufmerksamer wird. Suizid ist aber tatsächlich auch eine Erkrankung, die auch gehalten [geheilt] werden kann, aber letztendlich kann man nie sagen, wie es ausgeht. Also selbst wenn die ganze Versorgungspalette an einer Person erfolgt ist, kann es immer noch sein, dass das Ende nicht positiv ist.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Das heißt, wenn man es jetzt mal ein bisschen zynisch formuliert, dann ist möglicherweise derjenige, der sich dann aus welchen Gründen auch immer das Leben nimmt, auch dann nur, in Anführungsstrichen, ein Kostenfaktor in diesem System. Und wir haben nicht genug Therapieplätze und nicht genug Angebote, um um alle abzuholen quasi.
(Prof Dr Maren Metz) Na ja, das sehen wir Psychologen natürlich anders. Wir gucken natürlich nicht klar, sondern wir sehen den Menschen. Für uns ist das Drama der Mensch und die Menschen, die hinterlassen werden, die dann damit leben müssen. Die gucken müssen: Wie gehe ich damit um? Das sind ja wieder potenzielle Personen, die wieder in die Therapie sollten, damit sie überhaupt das Erlebte verarbeiten können. Das ist ja auch immer die Frage, wie sich suizidiert wird. Ist das sozusagen öffentlich? Kriegt das jemand mit oder ist es eher leise hinter verschlossener Tür? Das macht ja dann auch was mit den Personen, die vielleicht die Person finden.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Oder auch als Angehörige, die, die weiterleben müssen mit dem Bewusstsein sozusagen.
(Prof Dr Maren Metz) Genau da als aus psychologischer Sicht müsste es da sozusagen ein System geben, das sofort greift. Weil wir einfach wissen, wie Traumatisierung läuft. Und wir wissen, dass so eine Belastung natürlich nicht immer zu einer Traumatisierung führt. Aber eine erste Unterstützung zeigt, auch statistisch, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, dass die Hinterbliebenen Trauma bekommen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Also eigentlich ja ein ganz wichtiger Bereich und auch ein Bereich, wo es sich aus, denke ich auch aus rein ethischen Überlegungen lohnt, Geld ins System zu geben, um Menschen dann da abzuholen und helfen zu können.
(Prof Dr Maren Metz) Ja, auf jeden Fall.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Wie ist denn das eigentlich jetzt so in der Pandemie gewesen? Also wir haben jetzt ja quasi drei Jahre Pandemie mehr oder weniger hinter uns oder sind zumindest hoffentlich am Ende angekommen. Da haben wir ja ganz viel gehört, dass Menschen diese Zeit aus unterschiedlichen Gründen nicht gut überstanden haben. Also wir sehen ja gerade auch bei Kindern und Jugendlichen so ein Volllaufen der der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlungsangebote, weil es einfach viel mehr Kinder und Jugendliche gibt, die da nicht gut durch diese Zeit gekommen sind. Ist das eine Herkulesaufgabe für für den ganzen Bereich oder geht man davon aus, dass das dann jetzt auch irgendwann wieder abebbt und wieder ein bisschen weniger wird?
(Prof Dr Maren Metz) Das ist eine gute Frage. Die Studien zeigen, wie belastet eigentlich die Kinder und Jugendlichen durch die Pandemie geworden sind und natürlich auch die Erwachsenen. Da haben sich psychische Erkrankungen potenziert oder aber auch sind neu hervorgetreten. Es waren ja ganz andere Ängste, ganz anderer Druck, ganz andere Situation, mit der jeder umgehen musste. Und das bleibt natürlich. Also so ein Erlebnis ist ja nicht etwas, was wieder geht. Natürlich zeigt uns die Statistik, dass so eine Belastung auch verarbeitet wird. Von der Psyche natürlich, die ist stark, die ist resilient. Es gibt Widerstandsfaktoren, die helfen, solche Situationen dann auch zu bewältigen. Aber ein Teil wird auch bleiben. Das ist halt der Teil, um den wir uns kümmern müssen, wo wir hingucken müssen und wo wir Psychologinnen und Psychologen immer Arbeit haben werden.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Das ist doch auch was Positives. Dann vielleicht aus Sicht der Psychologie ja. Also wenn wir jetzt mal so den Blick in die Zukunft richten, vielleicht so in fünf Jahren, was bleibt dann sozusagen in psychologischer Hinsicht von dieser Pandemie?
(Prof Dr Maren Metz) Na hoffentlich die Erkenntnis, wie wir in der nächsten Pandemie besser mit den Menschen umgehen und was wir nicht mehr tun und worauf wir achten sollen. Das eine ist ja, dass man sagen muss, dass die Digitalisierung ja einen ordentlichen Schub bekommen hat. Und das hat der Psychologie insofern gut getan, dass es auch niedrigschwelligere digitale Angebote gibt. Jetzt auch zum Thema: Wenn ich nicht gleich eine Therapie kriege, was kann ich machen? Und da gibt es schon die einen oder anderen Apps oder auch Programme, digitale, die ich selber für mich durchlaufen kann und die auch schon gute Ergebnisse erzielen. Und mit denen kann ich natürlich auch einsteigen oder kann die natürlich auch ausprobieren. Und ich denke, dass es in Zukunft auch noch mehr Angebote in der Richtung geben wird.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Dann haben wir da vielleicht ein bisschen Schub bekommen, Weil lange Zeit war ja gerade die Digitalisierung im Gesundheitswesen und gerade Stichwort Fernbehandlungsverbot auch dieses ganze Thema Videosprechstunde ist ja ein Riesenthema tatsächlich.
(Prof Dr Maren Metz) Genau das ist ganz spannend. Vor der Pandemie haben sich die Psychotherapeuten durchgerungen zu sagen, 10 % der Therapie dürft ihr doch online machen. Aber nur die Erstgespräche, nicht die akuten Situationen. Und dann kam die Pandemie und alles musste online durchgeführt werden. Und jetzt ist natürlich spannend, also für die Psychologen noch mal zu verifizieren: Hat das was gebracht? Ist das besser, schlechter oder gleich gut? Und das könnte natürlich noch mal eine ordentliche Veränderung geben in dem ganzen Therapeuten-Setting. Und gerade Menschen, die halt Schwierigkeiten mit Anfahrtswegen haben oder aber halt auch Ängste, soziale Ängste, und nicht so gerne zum Therapeuten oder raus wollen, hätten hier auch noch mal eine sehr gute Chance, in Therapie zu gehen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Das heißt, da hat uns Corona dann vielleicht da auch so ein bisschen den Schub wirklich gegeben, da auch mehr in diese Richtung zu gucken. Genau, das ist doch wunderbar. Ja, dann kommen wir auch langsam zum Ende unseres Gesprächs. Vielleicht noch mal so was: Was kannst du Studierenden mit auf den Weg geben? Oder vielleicht auch Interessierten, die sich überlegen, Mensch, kann so ein Psychologiestudium für mich das Richtige sein, wenn es mal nicht so läuft? Also wenn ich entweder richtig unsicher bin oder wenn ich auch nicht so genau weiß, ist das was für mich? Was kann da helfen?
(Prof Dr Maren Metz) Also ich würde sagen, den Austausch mit anderen Studierenden oder mit jemanden, der schon studiert, dass man einfach da noch mal nachfragt und nachbohrt und für sich klärt: Ist das sozusagen so die Richtung. Man kann sich auch angucken, was die Themen sind der Psychologie und jetzt mal sehen, bin ich daran interessiert? Also wahrscheinlich gibt es ja das ein oder andere, wo ich dann eher interessiert dran bin und dass man dann halt auch gleich guckt wie wäre der Weg? Und will ich diesen Weg gehen?
(Prof Dr Birgit Schroeder) Hattest du ein Lieblingsfach im Studium? Irgendwas, was du total, was dich so richtig begeistert hat, wo gesagt hast: Das ist so meins?
(Prof Dr Maren Metz) Also damals, als ich studiert habe, da gab es ja noch kein Wirtschaftspsychologie. Ich war mit in der ersten Kohorte, die Wirtschaftspsychologie studieren durfte. Das war ja noch ganz aufregend. Saßen wir mit den BWLern zusammen und mussten ein Bild malen, wie wir die BWLer eigentlich sehen. Und die haben ein Bild gemalt, wie wir uns sehen. Das war sehr, sehr erhellend und amüsant und von daher war das natürlich damals ein ganz spannendes Thema. So aber auch, also die Rechtspsychologie hatte ich auch als Schwerpunkt. War auch spannend. Hat sich auch gerade entwickelt, von daher. Also ich war immer sozusagen im klinischen Bereich sehr interessiert, aber auch im wirtschaftspsychologischen Bereich. Von daher, ja. Also ich bin da nicht so spezialisiert auf ein Thema, sondern beide. Und ich habe so das Gefühl, ich kann die auch ganz gut zusammenfügen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ich hatte im Studium auch Rechtspsychologie und ich fand das immer total spannend. Diese Frage: Warum wird ein Mensch eigentlich straffällig und was kann man tun? Sozusagen, wenn es denn passiert ist, wie man ihn wieder, ich sag jetzt mal auf den rechten Weg der Tugend, in Anführungsstrichen, bringt? Das fand ich wahnsinnig spannend. Und so im anwaltlichen Bereich haben wir natürlich viel mit Gutachten zu tun. Also so mit psychiatrischen Gutachten, finde ich, ist auch ein sehr, sehr spannender Bereich. Da geht natürlich mehr in dem Bereich der Medizin. Aber ich finde diese ganzen standardisierten Testverfahren, die es mittlerweile gibt, womit man dann auch wirklich feststellen kann, justiziabel feststellen kann: Hat jemand eine Depression, ist der berufsunfähig beispielsweise. Da hat sich, glaube ich, auch ganz viel getan in den letzten Jahren.
(Prof Dr Maren Metz) Ja, auf jeden Fall. Und tut sich hoffentlich auch noch mehr. Weil man einfach merkt, also 100 % kennen wir den Menschen nicht. Auch hier wieder eine Statistik. 70 % können wir den Menschen analysieren, 30 % nicht. Da können wir nicht sagen: Wird der / die Person straffällig oder nicht? Das sind dann die Momente, wo man sagt: Das hätte ich ihr nie zugetraut, dass sie das macht oder dass sie fähig wäre, so was zu machen. Das bleibt sozusagen ein Restrisiko, mit dem wir irgendwie leben müssen. Das ist sozusagen der Versuch, eine Wahrscheinlichkeit einzuschätzen.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Aber wir haben ja jetzt gerade in Schleswig Holstein gesehen, wie sehr man dann auch daneben liegen kann. Also was dann natürlich unendlich tragischen Ausgang mit Toten und Schwerverletzten zur Folge hat. Das heißt, es ist ja auch im Endeffekt eine wahnsinnig verantwortungsvolle Tätigkeit, die man da ausübt.
(Prof Dr Maren Metz) Auf jeden Fall. Und natürlich der Wunsch, Menschen auch wieder zu integrieren, ihnen eine zweite Chance zu geben und eher die Einsicht zu haben: Das war sozusagen eine Momentaufnahme und ist sozusagen nicht persönlichkeitsimmanent. Auf der anderen Seite merken wir aber, es gibt solche Menschen, die einfach eine Persönlichkeit haben, die sehr schwierig für die Gesellschaft ist.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Ich muss noch eine abschließende Frage stellen. Ich habe als Anwältin immer wahnsinnig viel zu tun mit Psychologen, auch mit Coaches, aber auch mit Psychiatern. Und ganz häufig erleben das Menschen so, dass wenn man mit mit einer bestimmten Klientel zu tun hat, man das Gefühl hat: Also wenn mir ein Psychologe gegenübersitzt, der analysiert mich den ganzen Tag, ist das so.
(Prof Dr Maren Metz) Um Gottes willen. Also das ist viel Arbeit, dass man... Ich habe ja keinen Röntgenblick und gucke jemanden an und kriegt dann sozusagen so einen Scan. Vielleicht gibt es das irgendwann, weiß ich nicht, nein, das ist sozusagen... Also darum braucht man Therapie auch sehr lange. Also zwei Jahre, ich sage mal so ein halbes Jahr, um jemanden kennenzulernen, und dann geht man erst in die Arbeit. Das heißt, es braucht lange, um einen Eindruck zu kriegen, noch nicht mal, um sagen zu können so ist der, sondern Eindruck zu kriegen und eine Wahrscheinlichkeit und sagen zu können: Ja, das sind vielleicht die und die Gründe. Und das macht man ja auch im Austausch, in der Kommunikation, um zu sehen, stimmt das überhaupt, welcher, welche Annahme ich da habe, welche Ideen ich bekomme.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Also du beurteilst Menschen genauso vorurteilsfrei, ohne fachlichen Blick wie wir alle.
(Prof Dr Maren Metz) Ja, so ungefähr. Und ich beurteile sie gar nicht, weil ich einfach andere Sachen zu tun habe. Gerade in dem Moment. Nein, das ist tatsächlich eine professionelle Haltung. Also wenn ich den Auftrag dazu habe, dann ist es aber auch ein anderes Vorgehen. Dann ist es eine andere Struktur. Und dann bin ich, wie gesagt, in einer Haltung drin, wo ich natürlich auch sehr gezielt zum Beispiel Fragen stelle oder Dinge hinterfrage. Das mache ich natürlich im Alltag nicht.
(Prof Dr Birgit Schroeder) Haben wir das doch auch geklärt. Wunderbar. Maren, dann sage ich ganz, ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Für mich ist das immer eine wunderbare Gelegenheit, quasi mit den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern ein bisschen hinter die Fassade zu gucken. Das, was man so vielleicht schon weiß. Ganz herzlichen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast.
(Prof Dr Maren Metz) Sehr gerne, Danke!
(Prof Dr Birgit Schroeder) Und an dieser Stelle freuen wir uns immer auf Anregungen, wenn Sie oder ihr einen Gesprächspartner kennt, der auch mal vorbeikommen soll. Oder wenn Sie selber mal vorbeikommen möchten, dann freuen wir uns auf die Kontaktaufnahme und bedanken uns an der Stelle fürs Zuhören.

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