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Transkript Perspektiven der Kindermedizin

(Prof. Dr. Birgit Schröder) Herzlich willkommen zu einer neuen Folge. Wir sprechen über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen und heute eine ganz tolle Gesprächspartnerin, auf die ich mich ganz lange gefreut habe und auf die wir auch ganz lange gewartet haben, bis wir sozusagen alles zusammen hatten, was wir brauchen. Insofern mögen Sie sich einmal selber vorstellen, Frau Nerge.
(Ute Nerge) Ja, hallo Frau Professor Schröder, sehr gerne. Mein Name ist Ute Nerge. Ich bin eigentlich Kinderkrankenschwester, Pain Nurse, Palliative-Care-Fachkraft für Kinder und Erwachsene. Ich habe einundzwanzig Jahre Tätigkeit in Kinderkliniken hinter mir. Mit großer Freude, nach wie vor, ein Beruf, den ich immer wieder ergreifen würde. Habe ehrenamtlich vierzig Familien mit lebensbegrenzt erkrankten Kindern neben der Kliniktätigkeit in der Häuslichkeit begleitet und habe dann 1999 mit anderen Engagierten den Förderverein gegründet. Wir haben dann ein Haus gefunden, behindertengerecht umgebaut und 2003 das erste Kinderhospiz in Norddeutschland eröffnet. Als Hospizleitung habe ich das Kinderhospiz in der inhaltlichen Arbeit aufgebaut und achtzehn Jahre geleitet, war in der Geschäftsführung, stellvertretende Vorsitzende der Stiftung und Vorsitzende des Fördervereins bis zu meinem Ruhestand 2021.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, jetzt wissen wir ungefähr, mit wem wir das zu tun haben. Und wir wollen heute ein bisschen sprechen über die Situation der Kindermedizin. Und da sind Sie natürlich unsere ideale Gesprächspartnerin, wenn's sozusagen darum geht, wo hat die Kindermedizin besondere Probleme?
(Ute Nerge) Ich glaube, die Kindermedizin - ich beziehe das jetzt mal auf die schwerstkranken Kinder - da braucht es, glaube ich, ganz viel Unterstützung dieser Familien. Kinder sind eben keine kleinen Erwachsenen. Sie brauchen unglaublich viel Betreuung, denn sie haben große Ängste, sie sind in einem fremden Umfeld. Sie brauchen sehr viele Hände und viele Hände, wie wir wissen, kosten auch viel Geld. Und das ist etwas, auch Palliative Care, Pflegekräfte, gerade bei schwersterkrankten Kindern, die unheilbar erkrankt sind und natürlich auch dementsprechend, Pflegedienste, die in der Häuslichkeit unterstützen können, da ist eine große Notwendigkeit.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn wir mal so gucken, wenn Sie auf die aktuelle Situation in der Kindermedizin blicken, wie würden Sie es ganz persönlich einschätzen im Moment, die Situation?
(Ute Nerge) Also, ich glaube, wir brauchen da deutlich mehr Unterstützung von ärztlicher Seite. Da kann ich mich aber natürlich kaum zu äußern, als auch von pflegerischer Seite. Das ist tatsächlich etwas, wo ich mir mehr, viel mehr Hände wünschen würde. Ich bin viel in Gesprächen mit ehemaligen Kollegen, die noch in der Klinik tätig sind, die immer wieder sagen, "Wir brauchen Hände. Diese Kinder brauchen einfach, ja, mehr Unterstützung, mehr Hilfe." Bei einem Erwachsenen geht man ins Zimmer, spricht mit ihm, verlässt das Zimmer wieder. Bei den Kindern funktioniert es so nicht. Also Kinder sind von der Pflege her sehr viel intensiver, weil sie einfach sehr viel mehr Zuwendung brauchen und sehr viel mehr Ruhe als ein Erwachsener. Also ein Gespräch ist da ja oft gar nicht möglich. Es beherrscht die Kinder oft eine große Angst und dieses fremde Umfeld. Man muss einen Zugang zu den Kindern finden und das braucht ganz einfach Zeit.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und Zeit ist wahrscheinlich das, was am wenigsten da ist dann, ne?
(Ute Nerge) Ja, es braucht einfach viele Hände natürlich, wenn andere Kinder dann klingeln oder sie weinen oder sie haben Ängste. Man muss sich oft ans Bett setzen, sie auf den Schoß nehmen, sie beruhigen und für sie da sein und auf sie zugehen können. Diese Zeit braucht es einfach bei Kindern und das ist natürlich sehr, sehr aufwendig. Aber notwendig.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn wir mal so gucken, wir haben ja ganz viel gehört, auch so in der Presse, wenn's um Versorgungsengpässe geht tatsächlich. Können Sie da so 'n paar Beispiele für nennen? Also woran fehlt es ganz konkret?
(Ute Nerge) Ich glaube, wie überall fehlt es an Pflegekräften. Und das ist einfach etwas, auch die generalisierte Ausbildung, ist ja doch noch einmal ein ganz anderer Weg jetzt, dass also, ich sage mal, in den drei Jahren drei verschiedene Bereiche abgedeckt werden, also die Erwachsenenpflege, die Altenpflege und die Kinderkrankenpflege. Ich glaube, dass das noch einmal hinterfragt werden sollte, weil ich glaube, dieser Weg ist für mich nicht der richtige. Ich selber bin von Herzen Kinderkrankenschwester, würde diesen Beruf immer wieder ergreifen, aber auch wirklich nur diesen Beruf. Ich glaube, die Spezialisierung auch der Krankheitsbilder der Kinder und Ähnliches braucht sehr viel mehr Umfeld. Und die generalisierte Ausbildung, glaube ich, deckt das nicht ab. Das zeigt auch das, was ich rückgemeldet bekomme von Schülerinnen oder auch von Fachpflegekräften, die sagen, also es ist nur ein Teil des Wissens, welches sie benötigen. Alles muss nachgeschult werden und Ähnliches. Und natürlich, wenn mein Herz für Kinder schlägt, möchte ich mich weiterbilden und ausbilden für Kinder. Und hier ist es eine kombinierte Ausbildung. Ich glaube, das gefällt ganz vielen nicht, und wo sie sagen, "Ich möchte doch nur bei Kindern sein und nicht für Erwachsene tätig sein. Was kann ich denn dann tun?" Ich glaube, da sollte noch einmal gut drüber nachgedacht werden, ob das der richtige Weg ist. Oder auch wenn man hinterher sich spezialisieren kann, ob das nicht etwas komprimierter sein könnte und wir ein wenig wieder zu dem zurückkommen, was wir haben, denn ich sage mal, diese dreijährige Ausbildung für drei unterschiedliche Fachbereiche, das ist bei jedem Fachbereich, glaube ich, dort nicht ausreichend.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Das heißt, man hört ja ganz viel Kritik an dieser generalisierten Ausbildung. Und wenn Sie jetzt auf Ihre berufliche Laufbahn zurückblicken, wo sehen Sie da die größten Veränderungen?
(Ute Nerge) Ja, dass natürlich– alleine die Krankheitsbilder bei Kindern und Erwachsenen sind völlig unterschiedlich und natürlich bei den schwerst kranken Kindern und bei den lebensbegrenzt erkrankten Kindern nochmal mehr. Und wir sehen also, und da musste ich jetzt zurück und fragen in der Sternenbrücke, denn wie das aufkam, war ich ja schon auf dem Weg in den Ruhestand. Ich konnte das also selber kaum erleben und muss mich jetzt verlassen auf das, was mir dort gesagt wurde, dass sie sagen, wir müssen ganz viel schulen. Die Mitarbeiter, die zwar ihr Examen haben, sind aber sehr viel später erst einsatzfähig, weil wir ihnen ganz viel Wissen erstmal weitergeben müssen und die deutlich merken, dass da ein Unterschied in der Ausbildung ist.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn man jetzt mal so ein bisschen auch in den stationären Bereich der Kliniken guckt, dann scheint es ja ganz offensichtlich so zu sein, dass Kinderkliniken für Betreiber jetzt nicht so wahnsinnig attraktiv sind. Da hat man zumindest das Gefühl, haben wir langsam auch so ein Sterben in der Kindermedizin, wenn wir auch sehen, dass viele kinderärztliche Praxen keine Nachfolger mehr finden?
(Ute Nerge) Also das ist so ein Blick für mich in die Glaskugel natürlich, weil ich im ärztlichen Bereich natürlich so nicht tätig bin. Aber ich denke schon. Es wurde mir auch schon damals in der Kinderklinik immer vermittelt: Kinder sind sehr kostenaufwendig und Kinder brauchen einfach mehr Personal und Kinder brauchen ein großes Fachwissen und das ist einfach etwas, ja, da macht sich dieses Gefühl vielleicht tatsächlich ein wenig breit, was ich zutiefst bedauere. Natürlich.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber gerade so dieses Thema Fachkräftemangel, das ist ja jetzt auch kein neues, sondern das beschäftigt ja die Entscheidungsträger eigentlich schon ein bisschen länger. Hat man das zu spät erkannt oder hat man zu lange gehofft, dass sich das noch irgendwie klären wird?
(Ute Nerge) Ich glaube, die Veränderung grundsätzlich hat nicht Schritt gehalten. Also in dem Moment, wo zum Beispiel ambulant operiert wurde, hätte man sich das genauer angucken müssen, denn ambulant heißt nicht weniger zu tun. Also ich rede jetzt wirklich mal als Pflegekraft. Wenn Sie vermehrt ambulante Patienten haben, das heißt auch, Sie haben einen größeren Durchlauf. Also wenn Sie denn Frau Müller aufnehmen und bevor Sie wissen, dass das Frau Müller ist, ist sie schon wieder nach Hause entlassen. Sie kriegen keinen Bezug mehr zu den Patienten. Es ist ein unglaublicher Aufwand, was die Papiere anbelangt. Die weiter behandelnden Ärzte müssen ja auch informiert werden. Also ich sage mal, die Räume müssen wieder hergerichtet werden. Dieser Durchlauf bedeutet nicht, dass ich weniger Personal brauche, sondern im Gegenteil, wir brauchen mehr. Und unabhängig davon, dass natürlich auch geguckt werden sollte, wie geht es denn eigentlich den Patienten bei 50 % Singlehaushalten hier in Hamburg zum Beispiel? Da ist niemand, der mit zugreift. Was ist, wenn ich aktuell ambulant operiert worden bin und im dritten Stock ohne Fahrstuhl wohne? Und es heißt nächsten Morgen stellen Sie sich bitte Ihrem Hausarzt vor. Da liegen erstmal drei Stockwerke dazwischen und ich bin völlig überfordert und keiner kann mir helfen. Ich sage mal ambulant. Dieser Weg ist, glaube ich etwas, wo es versäumt wurde, genauer hinzugucken. Was bedeutet es zum einen für das Pflegepersonal, also dieser höhere Aufwand, der da glaube ich nicht so gut im Fokus war? Und was bedeutet es auch für den Patienten? Können die niedergelassenen Ärzte das überhaupt leisten? Können sie diese Patienten mitversorgen? Man hat ja deutlich das Gefühl, dass auch die niedergelassenen Ärzte sehr an ihren Grenzen sind.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Das klingt so ein bisschen nach Desaster mit Ansage, oder?
(Ute Nerge) Ja, ich glaube zumindest, man hätte besser hingucken müssen. Und darum, wenn man jetzt hört, auch immer mehr ambulant soll operiert werden, dann kriege ich schon langsam eine krause Stirn, weil ich natürlich auch den Patienten sehe. Weil ich denke, man muss gut bis zum Ende auch durchgucken und sagen, wie ist die Versorgung in der Häuslichkeit? Gibt es denn Chirurgen, die zu dem Patienten nach Hause kommen und Verbandswechsel und ähnliches machen? Können die niedergelassenen Ärzte das auffangen? Ich habe so ein bisschen Sorge, dass das nicht so richtig im Fokus ist.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Wir hatten ja mal in 2022 finde ich, sehr viel in der Presse. Da gab es ja diese Influenza- und RS-Viruswelle bei den Kindern, wo ja sehr viel berichtet worden ist, überlastete Notaufnahmen, Eltern, die stundenlang warten müssen, bis das Kind angeguckt werden kann. Da gab es ja wirklich, finde ich, so ein bisschen auch so ein so ein Aufschrei, will ich mal sagen, dass man das Gefühl hatte, Mensch, da ist Kindermedizin auch mal so ein bisschen im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Das hat sich ja jetzt wieder ein bisschen, glaube ich, in die andere Richtung entwickelt, weil wir auch sehen, dass es in Erwachsenenmedizin ja auch nicht viel besser ist. Haben Sie das Gefühl, der Stellenwert der Kindermedizin ist eigentlich nicht der, den sie verdient hätte.
(Ute Nerge) Doch, dem kann ich zustimmen. Also ich glaube schon, dass die Kinder mehr in den Fokus genommen werden müssen. Und es muss natürlich auch ein großer Unterschied gemacht werden zwischen akut kleinen Akutpatienten und ich sage mal Vorsorge usw. Also ich glaube, da könnte man Regelungen treffen, die das Ganze verbessern würden. Ich höre natürlich viel von den Eltern oder habe gehört in der Sternenbrücke, wie schwierig das tatsächlich ist, auch akut und schnell in Krisensituationen Hilfe zu bekommen. Und das ist in der Tat etwas, wo es, glaube ich, eine Nachbesserung braucht.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Dann würde ich Sie gerne fragen, so aus Ihrer ganz praktischen Sicht: Wann wurde denn eigentlich versäumt, in der Pflege nachzubessern?
(Ute Nerge) Also ich glaube, in dem Moment, in dem die Patienten eine kürzere Liegedauer hatten, zusammen mit den DRGs [diagnosis-related-groups, ein pauschalisierendes Abrechnungssystem für Krankenhausaufenthalte und -behandlungen; Anm. der Redaktion], die eingeführt wurden. Wir haben früher Patienten auf den Stationen gehabt - ich spreche natürlich hauptsächlich von den kleinen Patienten, aber ich weiß von Kolleginnen, dass es auch die Großen betraf - sie hatten früher auf der Station Patienten, die auf dem Weg der Besserung waren, schon alleine sich versorgen konnten, ein bisschen auf dem Flur rumwandelten, also auf einem guten Weg waren, gesund zu werden. Und sie hatten die Patienten, die intensivere Betreuung brauchten, also mehr Pflege und Unterstützung, sodass sie auch beim Einteilen, wer macht welche Patienten, sehr wohl das alles auch bewältigen konnten. Durch die kürzeren Liegezeiten ist es aber so, dass die Patienten, alle, die sie auf der Station haben, mehr Pflege bedürfen. In dem Moment, wo sie mehr auf dem Weg der Besserung waren, wurden sie schon entlassen. Das heißt, sie haben kürzere Liegezeit, bedeutet einen unglaublichen Aufwand, denn Neuaufnahmen bedeuten ja auch ganz vieles zu richten, mit den Ärzten zu besprechen, welche Untersuchungen gemacht werden müssen und so weiter. Es ist also sehr viel aufwendiger. Und sie hatten nur Patienten auf der Station, die intensive Hilfe brauchen. Das heißt, die Hände, die dann vorhanden waren, waren viel zu wenig, weil jeder einzelne Patient, der da war, Unterstützung brauchte. Und ich glaube, da wurde versäumt nachzubessern, denn kürzere Liegezeiten heißt nicht weniger Personal, sondern das heißt mehr Personal. Und ich glaube, da war so ein Dreh- und Angelpunkt, wo man hätte schon hingucken müssen und, ich sage mal, mit den Leitungen sich zusammensetzen müssen und sagen müssen: „Okay, jetzt mit den Einführungen der kürzeren Liegezeiten, der DRGs und so weiter, funktioniert alles noch?" Und ich glaube, das ist versäumt worden.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Dann fragt man sich ja so ein bisschen, wo eigentlich die Ursachen sind, dass es so dramatisch werden konnte, wie es jetzt ist. Haben Sie da eine Idee?
(Ute Nerge) Also ich glaube, es steht und fällt mit dem Pflegepersonal ganz viel und natürlich auch geschultes Personal, auch in den niedergelassenen Praxen, aber das kann ich jetzt nur mutmaßen. Ich muss mich dann doch ein bisschen mehr Richtung Klinik bewegen. Also ich glaube, es braucht einfach die Hände und diese Hände werden immer weniger in allen Bereichen. Und ich glaube, das ist der Dreh- und Angelpunkt, der aus dem Blick verloren worden ist und man fragt sich natürlich: Wie kann man so eine Situation ändern? Was kann man verbessern, und schnell? Also, es wird ja viel gesprochen, viele Ansätze sind dort und trotzdem ist es so, ich höre also Freundinnen von mir, die sagen: „Ich gehe morgens wieder auf Station zum Frühdienst und ich weiß, gestern war es schon eine Katastrophe. Heute gehe ich dahin und ich weiß, wieder sind zwei ausgefallen. Wir bekommen keine Hilfe. Es ändert sich für uns aktuell vor Ort nichts." Und ich glaube, um zu motivieren, diesen Berufszweig einzuschlagen, braucht es wirklich Signale jetzt und sofort, für das Pflegepersonal, dass sie auch sich gehört und gesehen fühlen. Und das ist, glaube ich, etwas, was jetzt zügig und schnell passieren sollte, weil wir sehen es auch. In der Sternenbrücke habe ich es erlebt, wenn sich dort Mitarbeiter beworben haben, es war immer wieder der Hinweis: „Wir möchten gerne fürsorglich pflegen, wir möchten wieder Zeit für die Patienten haben. Wir sind nur wie auf der Flucht und wir können das kaum noch abarbeiten, was anfällt. Und deswegen erhoffen wir uns in einem Kinderhospiz, dass wir das wieder erfüllen können, dass ich da den Wunsch, den ich in mir trage, erfüllt bekomme." Und das ist etwas, was ja auch auf Seiten der Patienten etwas ist. Ich möchte ja eine Pflegeperson haben, die sich fürsorglich um mich kümmert, die für mich da ist, denn ich bin in einem fremden Umfeld, ob groß oder klein. Es macht mir Angst. Ich bin mit fremden Menschen zusammen. Ich habe Sorge um meine Gesundheit und irgendwie habe ich das Gefühl, es gibt alles nur noch im Vorübergehen und ich spreche da tatsächlich auch aus eigener Erfahrung. Und das ist, glaube ich, etwas– Ja, der Schlüssel zu allem sind einfach mehr Personen, mehr Pflegepersonen und ich glaube, da braucht es wieder die Freude an diesem Beruf, da braucht es wieder diese Ziele, dass man sie auch erreichen kann. Und ich glaube, da kann man noch einiges tun, sei es, dass man Springer im Hause einführt, die abrufbar sind, wenn jemand ausfällt. Springer, die vielleicht die generalisierte Ausbildung haben und da ist sie ja tatsächlich auch sehr hilfreich, wenn es für verschiedene Stationen ist. Und die einzusetzen. Es gibt immer Aufgaben auf einer Station, die auch Menschen, die nicht täglich da sind, wo sie unterstützen und helfen können. Dass man nicht immer die Menschen holt, die dort täglich arbeiten, dass wieder das Freie hergegeben werden muss, dass wieder meine Familienfeier ohne mich stattfindet und oder ich meinen Freundeskreis nicht treffen kann. Und diese Dinge brauche ich ja dringend, um mich auch mal zu erholen. Dass doch immer wieder die freien Tage auf der Strecke bleiben, obwohl ich vielleicht gerade das Wochenende auch schon gearbeitet habe. Dass wir das auch respektieren und sagen, wir müssen da eine Hilfe schaffen, dass ein verlässlicher Dienstplan da ist. Denn dass man als Pflegepersonal in drei Schichten arbeitet, das weiß jeder, der den Beruf ergreift. Und ich sage mal auch, dass man sagt: „Okay, die Gehälter muss man sich ansehen." In der Altenpflege ja. Ansonsten denke ich, man bekommt ja dadurch, dass man bestimmte Dienste macht, wie Nachtdienste, Spätdienste, Dienste an Feiertagen und so weiter, auch noch extra vergütet. Es geht alleine auch darum, dass es endlich verlässliche Dienstpläne wieder gibt. Dass nicht jeder freie Tag wieder gestrichen wird, weil ich wieder einspringen muss, weil es wieder eng wird, weil sonst die Patienten nicht versorgt werden. Und dieses Gefühl hinzugehen und trotzdem nicht alles zu schaffen, so wie ich mir das wünschen würde, denn jeder hat ja auch einen Anspruch an seinen Beruf und gerade in einem Pflegeberuf. Ich hatte mal eine Vorstellung, warum ich diesen Beruf ergriffen habe, und ich glaube, diese Empathie zu diesem Beruf, die möchte ich auch den Patienten spüren lassen. Ich möchte wieder pflegen und ich möchte nicht immer nur rumrennen und trotzdem am Dienstende das Gefühl habe, ich habe wieder nicht alles geschafft. Und das ist scheinbar im Moment die Situation. Und das ist glaube ich etwas, wo wir dringendst etwas ändern müssen. Und vor Ort, sie merken nicht, dass sich etwas verändert. Und ich glaube, je länger wir warten, je schwieriger wird diese Situation.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Das betrifft ja dann wahrscheinlich alle Pflegekräfte sozusagen, aber ganz besonders die, die in der Kindermedizin tätig sind.
(Ute Nerge) Ja. Also die Eltern müssen viel schon mithelfen, wie ich höre, teilweise mit aufgenommen werden. Ohne sie geht es teilweise gar nicht, was natürlich auch auf der Seite der Familie wieder große Probleme mit sich bringt, weil sie haben ja vielleicht noch ein zweites oder ein drittes Kind, die versorgt werden müssen, die Kinder und so weiter. Also ich glaube, da ist wirklich dringender Handlungsbedarf und das würde ich mir natürlich - und Sie wissen ja, mir liegen gerade die schwerst erkrankten Kinder sehr am Herzen und die lebensbegrenzt erkrankten Kinder - auch da, dass wirklich mehr für die Kinder getan wird, das würde ich mir von Herzen wünschen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Wenn wir mal den Blick sozusagen auf so aktuelle Projekte werfen, zum Beispiel so diese Krankenhausreform, die ja durchaus nicht unumstritten ist, sagen wir es mal ganz vorsichtig. Was glauben Sie denn so aus Ihrer ganz persönlichen Erfahrung, was hat das denn für Folgen für die Kindermedizin beziehungsweise was können Eltern dann von der Krankenhausreform vielleicht erwarten oder sich erhoffen?
(Ute Nerge) Ich sehe das ja tatsächlich ganz praktisch so als Pflegekraft. Ich sage mal, wenn es mehr ambulante Tätigkeiten geben soll, wenn die Kliniken sich zusammenschließen sollen, um mehr Kompetenz zu haben - das heißt ja nicht unbedingt auch, dass das Pflegepersonal mitreist. Und im Moment ist es so, dass Angehörige, Freunde, auch viel mithelfen vor Ort, weil eben überall Hände fehlen. Das heißt, sie bringen zu essen mit, sie füttern denjenigen, weil er vielleicht den Arm gebrochen hat oder andere Probleme hat. Sie wechseln sich ab, um das Pflegepersonal auch zu entlasten auf der Station. Je weiter die Kliniken entfernt sind, je weniger wird es natürlich für Angehörige und Freunde möglich. Ich glaube, ja, ich frage mich, wie das gedacht ist und auch mit dem Pflegepersonal gedacht ist, denn sie haben vielleicht einen festen Wohnort und reisen ja nicht unbedingt einfach mit. Ob das dieses Problem löst, ja, da habe ich ein großes Fragezeichen im Gesicht und ich glaube, es steht und fällt ganz viel mit dem Pflegepersonal. Und dann kann ich nur wirklich darauf hinweisen, in der Sternenbrücke habe ich dafür gesorgt, dass wir Mitarbeiterwohnungen haben. Dass auch wenn Menschen, ich sage mal, aus dem ganzen Bundesgebiet gerne wechseln würden, auch sie müssen irgendwo wohnen. Und ich glaube, das ist der zweite neuralgische Punkt, den es da gibt, dass es wenig Wohnraum gibt und wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Dennoch, wenn Pflegekräfte aus dem Ausland kommen, brauchen sie Wohnraum. Und da würde ich mir– wie früher, gab es Schwesternwohnheime. Die sind natürlich gebunden an die Klinik dann, aber die waren bezahlbar. Ich habe da selber über sechs Jahre gewohnt und das auch sehr gerne. Und das glaube ich, mal einen Blick zurückzuwerfen, das war damals eine Riesenhilfe. Auch zum Beispiel aus dem Ausland Pflegekräfte zu bekommen, auch zum Beispiel, um einen Seminarraum da mitzuintegrieren, die Sprache zu lernen, bei Behördengängen zu helfen, den Weg in die Klinik leichter zu machen, vielleicht noch einmal zu schulen, pflegerisch, um sie dann vielleicht auch als Assistenten der Pflegekräfte schon einzusetzen. Aber es steht und fällt auch mit Wohnraum. Und wie gesagt, noch einmal, die Schwesternwohnheime, die es früher gab, waren da eine Riesenhilfe und ich glaube, in diese Richtung muss man wieder denken. Denn es macht keinen Sinn zu sagen, wir brauchen Pflegekräfte, aber wo sollen sie denn leben, wo sollen sie wohnen? Und ich glaube, ich hätte es gut gefunden, wenn man damit angefangen hätte.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber das ist jetzt ja schon mal ein ganz konkreter Ansatz. Also wenn Sie sagen, Mensch, es könnte vielleicht helfen, wenn man den Leuten wieder mehr Möglichkeiten gibt, ihrer ursprünglichen Tätigkeit, nämlich dem Pflegen, auch tatsächlich nachzukommen, wenn man ihnen Wohnraum zur Verfügung stellt, der bezahlbar ist. Das sind ja schon mal relativ konkrete Ansatzpunkte, die Sie da so genannt haben, die man vielleicht mal versuchen könnte. Weil wenn wir jetzt so zum Schluss kommen, ist natürlich die Frage, man kann ja Probleme benennen, man kann sie analysieren, aber da hat man sie ja noch nicht gelöst. Das heißt, haben Sie noch weitere Ideen, wie man das Ganze vielleicht lösen könnte oder zumindest die Dramatik so ein bisschen abmildern könnte?
(Ute Nerge) Ja, wie gesagt, der Wohnraum ist ein großer Punkt, das höre ich immer wieder und ich glaube, das wäre ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Und zum anderen eben auch die Springer vielleicht einzusetzen, gegebenenfalls auch zu sehen, ähm, in den Strukturen der Kliniken die Schichtabläufe. Ich sage mal, wenn ich ein kleines Kind habe und alleinerziehend bin und muss zum Frühdienst morgens um sechs und muss mein Kind um vier aus dem Bett holen, habe ich schon Stress, bevor ich überhaupt beim Patienten angekommen bin. Das Kind ist hundemüde, muss irgendwo in den Kindergarten. Da muss ich noch einen finden, der auch so früh geöffnet hat. Also auch die Kinderbetreuung wäre etwas, eine große Unterstützung, glaube ich, für Pflegekräfte, die alleinerziehend sind. Zum anderen, glaube ich, auch die Pflegekräfte, die im Ruhestand sind. Ich glaube, auch da sollte man einen Blick hinwenden, denn gerade, ich sage mal, die Menschen, die vielleicht den Partner verloren haben, also verwitwet sind, suchen doch auch den sozialen weiteren Kontakt und die Kompetenz, die da auch ist, wieder zu nutzen. Dennoch muss man natürlich auch sagen, wenn ich, als Pflegekraft meine Witwenrente bekomme, und nehme einen Minijob irgendwo an und sie wird dann gestrichen oder gekürzt, ist das, glaube ich, ein verkehrtes Signal. Also auch die Menschen, die im Ruhestand sind, würden sicherlich auch unterstützen wollen nicht zu vergessen, wie gesagt, da ist eine Menge Erfahrung und eine Menge Kompetenz, die man hinzuziehen könnte. Also auch das wäre, glaube ich, etwas mit unterschiedlichen Schichten auch, dass man sich da vielleicht beweglicher zeigt und sagt: Gibt es Zwischendienste? Also ich kenne eigentlich aus meiner beruflichen Tätigkeit alle möglichen Schichtarten, die wir versucht haben und im Übrigen habe ich die auch in der Sternenbrücke oft in Notsituationen genutzt, dass man einfach sagt: "Okay, wo brauchen wir die meisten Hände?" Ja, der geteilte Dienst ist nicht gerade beliebt, aber doch hilfreich in der Not. Das kann natürlich kein Dauerzustand sein. Oder auch ein Zwischendienst, wo man sagt, da brauchen wir die meisten Hände. Zum Beispiel auf 'ner chirurgischen Station, wo man weiß, jetzt gehen die OPs los, die geholt werden müssen, gebracht werden müssen, vorbereitet werden müssen, dass man da wirklich guckt und sagt, diese Schichten, die es so gibt, kann man die verändern zugunsten des Pflegepersonals? Also ich glaube, man muss mit dem Pflegepersonal gut ins Gespräch gehen und ich glaube, man muss auch, die Patienten einmal anhören. Warum? Wir haben ja im Moment einen bunten Strauß von Problemen. Wenn man sieht, was in den Notaufnahmen, ja, was da passiert, dass Pflegekräfte angegriffen werden und Ähnliches. Das ist natürlich etwas, wo mir geradezu die Luft wegbleibt. Das macht natürlich diesen Arbeitsbereich nicht gerade attraktiv. Aber man muss, glaube ich, auch hingucken, warum passiert das, dass man nicht nur das Pflegepersonal natürlich schützen muss und die Ärzte vor Ort, sondern dass da dringend was passieren muss – einige Kliniken tun's ja auch schon – sondern dass man auch guckt: Warum sind die Patienten so ungehalten? Was ist das, was sie veranlasst, so zu handeln, was natürlich, in keinster Form akzeptabel ist. Aber dennoch muss man hingucken, um diese Problematiken zu lösen. Und also da gibt es ganz, ganz viel, glaube ich, was man machen könnte und vor allen Dingen das Signal in den Kliniken beim Pflegepersonal muss endlich ankommen. Ich gebe nur ein Beispiel: Ich denke ganz oft an meine Kollegin, wenn zum Beispiel gestreikt wird bei Bus und Bahn, dass ich mir sage: "Oh mein Gott, wie kommen die denn jetzt in die Klinik? Wie kommen sie ins Pflegeheim? Wer versorgt die Patienten jetzt?" Weil viele sind auf Bus und Bahn angewiesen. Da ein Signal zu setzen und zu sagen, okay, es gibt hier jetzt notfallmäßig einen Shuttle Service, damit die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplatz kommen. Ich habe es live erlebt im Pflegeheim meiner Mutter, wo wirklich die Mitarbeiter, die da waren, alles gegeben haben, aber einige einfach nicht an den Arbeitsplatz kamen. Auch das muss man ja überdenken und ich glaube, da so kleine Signale zu setzen und zu sagen: "Wir sehen euch, wir hören euch", und etwas zu tun und nicht nur in die Perspektive immer, sondern aktuell etwas tun, damit die Menschen auch das Gefühl haben, wertgeschätzt zu werden und gesehen zu werden. Ich glaube, das ist jetzt aktuell ganz, ganz wichtig.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Jetzt haben Sie mir natürlich ein schönes Stichwort genannt. Was glauben Sie denn, wie sich das Ganze perspektivisch entwickeln wird? Also gerade im Rahmen der Versorgung? Glauben Sie, es wird besser oder wird schlechter?
(Ute Nerge) Hach, Frau Dr. Schröder, es sind so viele Bereiche, die man gut angucken müsste. Es ist so ein– also man hat wirklich bei vielen Dingen– es wird etwas getan, aber es wird nicht geguckt, wie, was bedeutet das, wenn ich das jetzt umsetze? Wie die ambulanten OPs? Wo bleibt der Patient? Wie wird der denn versorgt zu Hause? Also es sind so viele neuralgische Punkte, dass man wirklich manchmal etwas sprachlos dasteht und sagt: "Wo fangen wir an?" Und da gibt es ganz, ganz viel. Es gibt ja aber auch viele Menschen, die dieses auch schon benannt haben. Mir fehlt es so ein bisschen an der Umsetzung. Mir fehlt es einfach. Wir haben einen Pflegekräftemangel ohne Ende und es kann nicht sein, dass dann, ich sage mal, die Versorgung der Patienten dann kürzer gehalten wird, weil wir jetzt ambulant zum Beispiel operieren und sagen, dann werden die Kliniken entlastet. Aber wie gesagt, der Weg vorher und hinterher auch für die Patienten muss gesehen werden. Oder dass wir in Pflegeheimen sagen, wir machen Dinge weniger und wir haben nicht mehr so viel Fachpersonal. Wie wir auch in der Sternenbrücke. Es ist für uns, also zumindest, ich kann ja nur über meine Zeit sprechen, also die ist drei Jahre her, dass man nicht sagt, man betreut die Familie mit den schwerst erkrankten Kindern, wo man wirklich eine Entlastung gerne haben möchte, damit die Eltern Kraft schöpfen können für die Zeit wieder zu Hause, dass es nicht das Ziel sein kann, dass wir sagen, wir helfen nur noch morgens oder wir helfen nur noch abends oder nachts und das andere müssen die Eltern dann alleine machen, sondern wir versuchen, Lösungen zu finden, dass das, was wir tun, auch weiterhin sinnhaft ist. Und es kann nicht sein, dass wir etwas weniger machen, sondern das Ziel sollte sein, dass wir etwas besser machen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn wir jetzt sagen, man fängt quasi mal an mit den Themen, die Sie jetzt genannt haben. Bezahlbarer Wohnraum und Wertschätzung und Flexibilität bei Diensten und all diesen Themen. Was glauben Sie, wie lange dauert das, bis das greift?
(Ute Nerge) Ich glaube, es müssen Menschen dorthin, die innovativ sind. Also wir haben ja viele Gebäude in Hamburg, auch viele alte Gebäude, wo man gucken muss, kann man die nicht sanieren? Viele Bürogebäude, die ja leer stehen. Es ist ja Wohnraum da und dass man doch mal detaillierter dahinterguckt, ob das nicht genutzt werden kann. Ich habe jetzt gerade gestern gehört, dass ein drittes Pflegeheim schließen musste, weil es keine Pflegekräfte hatte, und das ist die verkehrte Richtung. Wir brauchen ja eigentlich bei den Babyboomern und dem, was kommt, mehr Pflegeheime. Die ich mir auch dringend wünsche für junge Erwachsene, die schwerst erkrankt sind, die im Moment im Altenpflegeheim leben müssen. Auch da würde ich mir ein neues Konzept wünschen. Aber es kann nicht sein, dass wir weniger haben, sondern wir müssen in die andere Richtung laufen. Und ich glaube, da habe ich mich gestern Abend tatsächlich gefragt, warum ist es nicht so, dass nur ein Pflegeheim, schließt, das Pflegepersonal von den anderen beiden übernommen wird und man vielleicht das leere Haus als Mitarbeiterwohnung nutzt. Dass man in einem Miteinander gemeinsam Lösungen sucht, anstatt dass ein Haus nach dem anderen geschlossen wird. Weil die alten Menschen müssen ja irgendwo untergebracht werden. Also dieser Weg, der hat mich doch gestern sehr sprachlos gemacht, wie ich das hörte und habe gedacht: "Gott, das dritte Pflegeheim schon." Es muss etwas passieren. Und, ja, das ist betrüblich, was da passiert. Und ich hoffe immer, dass es Menschen gibt, die sich zusammensetzen und sagen: Lasst uns einen Weg finden und das gemeinsam und das schnell. Und ich glaube, wir haben schon sehr viel Zeit verloren.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn Sie sich jetzt so zum Abschluss unseres Gesprächs was wünschen dürften, so, Weihnachten naht ja dann auch, was wäre so auf Ihrer Agenda oder auf Ihrem Wunschzettel ganz weit oben?
(Ute Nerge) Ich glaube, wenn ich mein Herz fragen darf, dann sind es drei Sachen: Dass man die generalisierte Ausbildung noch einmal hinterfragt. Das andere ist tatsächlich, dass ich mir ein Pflegeheim für junge Erwachsene wünschen würde, was auch ihren Bedürfnissen entspricht und wo sie auch altersentsprechend ein Umfeld haben, denn das, was da im Moment passiert, das hat mich sehr, sehr berührt. Ich habe junge Erwachsene in Altenpflegeheimen besucht und ich war sprachlos, wie ich wieder rauskam. Also es hat mich wirklich tief berührt. Da ist eine große Not, genauso auch wie mein eigentliches Thema natürlich, ein Hospiz für junge Erwachsene. In der Sternenbrücke habe ich ja noch ein Jugendhospiz, haben wir dort noch angebaut mit drei Apartments, aber wir sehen, dass es mehr braucht. Und auch da würde ich mir was wünschen für die jungen Erwachsenen, dass es da noch weiter vorangeht und da etwas entsteht. Das würde ich mir wirklich von Herzen wünschen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, wir beide werden das nicht groß beeinflussen können, aber ich glaube, es ist ganz wichtig, dass man zumindest mal die Punkte benennt, dass Sie auch mal aus Ihrer Perspektive und aus Ihrer langjährigen Berufserfahrung so ein bisschen in die Problemlösung gehen, dass Sie sagen: "Mensch, das wären so Dinge, die würde ich mir wirklich wünschen." Und dann muss man einfach mal gucken, was daraus dann in der Praxis tatsächlich wird, was sich umsetzen lässt und was dann vielleicht auch, und darum geht es ja dann leider auch immer am Ende, dann auch finanzierbar ist. Da dürfen wir, glaube ich, tatsächlich gespannt sein. Frau Nerge, dann würde ich Sie gerne am Ende des Gesprächs dann doch noch gerne fragen, ob Sie jemandem heute den Beruf der Pflege noch empfehlen können.
(Ute Nerge) Ich möchte junge Menschen wirklich nur von Herzen motivieren, einen Beruf im Pflegebereich zu ergreifen. Er ist zutiefst erfüllend und bereichernd. Zusätzlich bietet er unendlich viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung, wie auch an mir zu sehen ist. Ich wollte eigentlich Hebamme werden und doch hat mich der Weg auf die Palliativpflege gebracht. Und, wie hat eine betroffene Mutter mal zu mir gesagt: "Du bist ja Hebamme, nur andersherum." Über diesen Satz musste ich sehr lange nachdenken. Alles beginnt mit einem ersten Schritt und ich persönlich würde diesen Schritt immer wieder tun. Mit Patienten zu arbeiten als Pflegekraft ist wirklich ein Geschenk und ich glaube, das ist oft verloren gegangen. Ich kann nur junge Menschen motivieren, denn wie gesagt, auch die Weiterentwicklung ist in alle Richtungen dort möglich. Wenn man im Einsatz ist auf den Stationen, auch gerade als junge Schwester, man lernt viele Dinge und man lernt sich selber kennen. Man lernt mit mal, wo man Stärken hat und sagt: "Mensch, das ist ein Bereich, das hätte ich gar nicht gedacht." Bei mir war es die Chirurgie, die mich tatsächlich gefangen genommen hat und, dass man etwas auf den Weg bringt, was man vorher nie gedacht hätte. Und da hat man sehr viele Möglichkeiten. Also ich kann junge Menschen wirklich nur motivieren, diesen Beruf zu ergreifen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Dann hoffen wir mal, dass Ihr Appell ganz viele junge Menschen erreicht hat. Frau Nerge, ich danke Ihnen ganz, ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben für dieses Gespräch, dass Sie uns ein bisschen Einblick gegeben haben in das, wie Sie die aktuelle Situation bewerten. Das ist für unsere Studierenden immer ein ganz, ganz großer Gewinn, wenn jemand aus der Praxis berichtet und wenn man da jemanden hat mit so viel Berufserfahrung, wie Sie das haben und jemanden hat, der schon so viel auf die Beine gestellt hat, ist das ganz toll. Insofern sage ich ganz, ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch.
(Ute Nerge) Ich danke Ihnen.

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