Transkript Alumna Tanja Jordan
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Herzlich willkommen zu einer neuen Folge "Was wurde aus...?". Eine neue Gesprächspartnerin heute wieder, eine Aufnahme aus Distanz. Also wundern Sie sich nicht, wenn die Qualität vielleicht ein bisschen schlechter ist als üblich. Wir sitzen uns nicht gegenüber, sondern nutzen sozusagen die moderne Technik. Frau Jordan ist heute bei uns und wird uns ein bisschen was aus ihrem Studium und ihrem beruflichen Weg berichten. Frau Jordan, herzlich willkommen. Schön, dass Sie da sind. Was muss man über Sie wissen?
(Tanja Jordan) Ja, hallo, ich freu mich auch, dass ich heute da sein kann. Was man über mich wissen muss, ich bin wahrscheinlich das Gegenteil von Ihnen, Frau Schröder. Ich habe nämlich einen sehr vielschichtigen Lebenslauf und schon sehr, sehr viele Sachen gemacht in meinem beruflichen Leben und auch privat bin ich sehr vielschichtig. Und ja, deshalb bin ich heute hier, um ein bisschen was zu erzählen, was ich so nach meinem Abschluss gemacht habe und wie sich das alles entwickelt hat.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, das ist wunderbar. Dann fangen wir doch einfach mal damit an: Was haben Sie studiert?
(Tanja Jordan) Genau, ich habe erst drei Semester an der HFH Wirtschaftspsychologie studiert, weil ich ja auch eigentlich aus dem Wirtschaftsbereich komme – ich habe eine kaufmännische Ausbildung einst gemacht – und hab dann aber festgestellt, dass ich da eigentlich doch lieber ein bisschen weiter von weg möchte als tiefer rein und habe mich dann entschieden, in den Studiengang Psychologie zu wechseln. Und das habe ich dann auch studiert in der Teilzeitvariante nebenberuflich und war sehr zufrieden damit.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Dann denkt man ja, Wirtschaftspsychologie und Psychologie liegt jetzt vielleicht gar nicht so wahnsinnig weit auseinander, trotzdem vielleicht für diejenigen, die jetzt da nicht so tief in der Materie drinstecken, vielleicht noch mal ganz kurz skizziert so die wesentlichen Unterschiede.
(Tanja Jordan) Ja, also im Wirtschaftspsychologiebereich gab es viele Fächer wie Betriebswirtschaftslehre, auch VWL, Wirtschaftsenglisch, also schon viel im BWL-Bereich. Da habe ich mir auch viele Teile, Gott sei Dank, anrechnen lassen können durch meine Ausbildung damals. Also es war schon wirklich die Hälfte sozusagen BWL oder wirtschaftlich und die andere Hälfte sozusagen psychologisch. Also eher so Grundlagenfächer der Psychologie wie allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie waren da tragend. Und ich habe gedacht, ich möchte einfach mehr und die Schwerpunkte weniger im Personal sozusagen, wo ja auch sich Psychologen finden zum Teil, aber einfach mehr auf klinische Psychologie, auf pädagogische Psychologie und einfach noch mal mehr in den Methodenfächern. Da gibt's dann auch Statistik Zwei zum Beispiel, was in der Wirtschaftspsychologie wegfällt, weil man halt viel stärker methodisch einfach arbeiten muss in der Psychologie als in der Wirtschaftspsychologie.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und war das so in etwa das, was Sie sich so vorgestellt hatten, oder war es ganz anders?
(Tanja Jordan) Absolut nicht. Also, ich habe wirklich gedacht, das ist ein bisschen weichgespülter. Das haben, glaube ich, viele auch so die Idee, wenn sie hören: oh, da studiert einer Psychologie. Da denkt man viel an, man redet ein bisschen und die Methodenfächer werden, glaube ich, stark unterschätzt. Also wie viel Statistik ist, wie viel Forschungsmethodik ist und wie viel da wirklich zu lernen ist. Also ich habe es mir auch ein bisschen anders vorgestellt, auch den Umfang ehrlicherweise. Also, als ich mein erstes Päckchen der HFH bekommen habe, war ich schon ein bisschen erstaunt über den Umfang und habe gedacht "Ach, jetzt schicken sie mir direkt für mein ganzes Studium was zu, schön. Dann kann ich mir das drei Jahre aufteilen." Aber es war leider nur ein Semester. Also, ich musste dann doch mich mehr durchwurschteln, als ich einst gedacht hatte.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber das ist ganz spannend, dass Sie das sagen, weil das habe ich ganz oft schon gehört, dass Leute gedacht haben, als sie das erste Paket bekommen haben, das ist sozusagen so der Umfang des Studiums und sich dann fürchterlich erschrocken haben, als sie festgestellt haben: nee, nee, das ist nur ein Semester.
(Tanja Jordan) Ja, also das war wirklich-- ist es mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Man ist es dann irgendwann gewöhnt, dass das dicke Päckchen kommt, einmal in sechs Monaten. Aber, grade auch wenn man sich so an dem Umfang vom Abi orientiert, was ich auch auf zweitem Bildungsweg gemacht habe, oder wenn man sich so an Abschlussprüfungen von der IHK orientiert, ist der Umfang doch einfach enorm. Also das kann man nicht vergleichen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Na ja, es ist halt tatsächlich auch ein Studium, ne. Und ich glaube, das ist eben so der ganz große Unterschied. [Es] ist eben tatsächlich auch nicht nur die Komplexität, sondern schlicht auch der Umfang, ne.
(Tanja Jordan) Ja.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ich glaube, das ist bringt es einfach so mit sich. Ich glaube, das ist normal, aber so wie Sie es geschildert haben, habe ich das auch wirklich häufig gehört, dass Leute gesagt haben: Oh, ich hatte mir das nicht ganz so umfangreich und nicht ganz so schlimm in Anführungsstrichen vorgestellt und habe mich schon im ersten Semester oder am Anfang des Studiums zumindest ein bisschen erschrocken, ne.
(Tanja Jordan) Ja. Was ich auch sagen muss, ist, die HFH fasst das ja in der Regel auch schon sehr schön zusammen in den Studienbriefen. Wenn man sich dann mal mit einzelnen Fächern, die einen vielleicht besonders stark interessieren, noch mal mit der Fachliteratur auseinandersetzt, ist es dann halt auch wirklich noch mal mehr. Also da kann man wirklich sehr viel Zeit mit verbringen, wenn man da noch in die Tiefe geht.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Na ja, und ich glaube, der Anspruch oder die Idee hinter den Studienbriefen ist ja auch tatsächlich den Studierenden das so komprimiert zusammenzufassen, wie man das eben aufgrund fünfzig DIN-A4-Seiten zusammenfassen kann und ihnen dadurch so ein bisschen den Druck zu nehmen, jetzt auch noch aus diversen Fachbüchern und Lern- und Lehrwerken irgendwie das dann so zusammenzuschreiben, ne. Also ich glaube, das ist ja schon so die Idee dahinter.
(Tanja Jordan) Ja, kann ich auf jeden Fall so unterschreiben. Grade weil, wenn man halt vielleicht auch kein Abi hat, es gibt ja auch Quereinsteiger bei der HFH, dann muss man auch erst mal lernen, mit dieser Literatur und mit diesen Informationen richtig umzugehen und zu wissen, wo zieh ich mir meine Informationen raus und was sind gute Quellen, was sind vielleicht weniger gute Quellen. Das sind auch Sachen, die ich in den ersten Hausarbeiten so ein bisschen schwierig fand. Da muss man einfach auch reinwachsen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und ich glaube, es ist auch ganz normal, wenn man so ein Studium anfängt. Ich glaube, völlig egal, ob man das jetzt direkt nach dem Abi macht oder zum späteren Zeitraum in seinem Leben. Es braucht eben auch einfach ein bisschen Übung und so, wie Sie sagen, sich dareinzufinden, sich da reinzufuchsen, das geht, glaube ich, nicht unbedingt von Anfang an. Und insofern muss man sich da wahrscheinlich auch einfach ein bisschen Zeit geben und ein bisschen Geduld haben. Und letztendlich sind ja alle Prüfungsleistungen, die man so in einem Studium absolviert, eigentlich nichts anderes als die Übung für die große Abschlussarbeit am Ende, ne. So ist es ja letztlich auch.
(Tanja Jordan) Ja, das stimmt.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und als Sie Ihr Studium dann, so im Laufe-- also, wenn Sie jetzt so zurückblicken, wenn Sie Ihr Studium so im Laufe der Zeit noch mal Revue passieren lassen: Gab es so Sachen, die Sie besonders gerne gemacht haben, so Fächer oder Module, die Ihnen besonders viel Spaß gemacht haben?
(Tanja Jordan) Also mein absolutes Lieblingsmodul war das Wahlfach Notfallpsychologie. Das habe ich direkt geliebt von Anfang an, weil mich auch der Traumabereich ziemlich interessiert. Und ich fand einfach auch die Briefe superspannend aufgebaut, die Übungen, die wir dazu hatten, auch dann die KÜ [Komplexe Übung; Anmerkung der Redaktion] am Ende oder ich glaub, es war eine Ausarbeitung. Es war einfach super. Also da habe ich tatsächlich auch am meisten gelernt. Es war sehr praxisorientiert, auch wenn ich in der Praxis jetzt nicht mit traumatisierten Menschen arbeite, hatte ich das Gefühl, dass ich in speziell diesem Fach sehr viel praktisch mitnehmen konnte, und das hat mir sehr gut gefallen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und gab's auch ein Modul, wo Sie sagen: "Oh, da hätte ich auch gut drauf verzichten können"?
(Tanja Jordan) Eigentlich fand ich alle Module gut. Jetzt im Master sieht das ein bisschen anders aus.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Okay, da gibt es sozusagen schon die einen oder die anderen, die begeistern oder weniger begeistern.
(Tanja Jordan) Da gibt es schon das eine oder andere, ja. Also den Master finde ich sehr stark methodisch. Der ist noch mal sehr methodischer als der Bachelor gewesen ist, und das muss man natürlich mögen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Jaaa, und nun muss man natürlich auch immer sagen, der Master ist natürlich immer auch ein bisschen anders aufgebaut, so rein vom Curriculum. Ich glaube, es ist relativ egal, in welchem Fach. So ein Master hat einfach auch noch mal einen anderen Schwerpunkt tatsächlich.
(Tanja Jordan) Ja, das ist auf jeden Fall so.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber da sprechen wir dann zu gegebener Zeit noch mal drüber, wenn Sie den Master erfolgreich absolvieren.
(Tanja Jordan) Genau.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber fiel Ihnen die Entscheidung denn leicht, sozusagen nach dem Bachelor gleich noch einen Master anzuschließen? Oder war das jetzt kein Selbstgänger und doch irgendwie viele schlaflose Nächte, die das bereitet hat?
(Tanja Jordan) Also ich habe mich da schon beim Wechsel entschieden, dass ich auf jeden Fall den Master anhängen werde, weil die beruflichen Chancen mit dem Bachelor jetzt nicht so überragend sind wie im Fach Wirtschaftspsychologie. Also da ist es tatsächlich so, dass der Markt da schon eher den Psychologen mit dem Titel haben möchte, auch wenn das vielleicht nicht überall sinnig ist oder gebraucht, diese Methodik, irgendwie in irgendeiner Klinik oder so. Aber da werden Psychologie-Bachelor eigentlich praktisch fast nie gesucht.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Okay, also war es eigentlich gar nicht so unbedingt, ich sag mal, eine freie Überzeugungsentscheidung, sondern mehr so eine gefühlte Notwendigkeit.
(Tanja Jordan) Genau. Ich wusste, wenn du später mal in einer Klinik arbeiten willst, dann musst du auch den Psychologie-Master machen. So ungefähr war es.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, aber ich meine, manchmal ist es ja dann einfach auch so, dann ist die Entscheidung einem abgenommen, ne?
(Tanja Jordan) Genau, richtig. War jetzt auch nicht unbedingt negativ, aber es ging so miteinander einher. Da sollte man sich dann auch frühzeitig irgendwie vielleicht Gedanken machen, was man danach machen möchte, ob das vielleicht nötig ist. Weil in Psychologie ist es wirklich ein bisschen eingeschränkt mit dem Bachelor, die Möglichkeiten. Aber da kommen wir gleich zu, wenn ich von meiner Tätigkeit erzähle. Da war ich dann doch überrascht, wie viel doch in so Nischen noch möglich ist, weil man das immer bei den Stellenausschreibungen nicht so sieht. Aber wenn man sich dann ein bisschen tiefer reingräbt und ein bisschen bemüht oder auch Connections hat, dann findet man doch noch den ein oder anderen Job sozusagen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Genau, das wäre jetzt auch meine nächste Frage gewesen. Erzählen Sie uns mal so ein bisschen, was Sie jetzt genau beruflich machen.
(Tanja Jordan) Genau, also, nebenberuflich leite ich stellvertretend ein Demenzcafé von den Maltesern, eine kleine Dienststelle. Wir sind einmal in der Woche da und ich bin dort als psychologische Fachkraft angestellt. Jedes Demenzcafé hat immer eine Fachkraft, die praktisch sicherstellt, dass praktisch die dementen Menschen, die dorthin kommen, so betreut werden können oder so genommen werden können, wie es die Demenz sozusagen erfordert.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und das war etwas, was Sie sozusagen für sich auch schon wussten, dass Sie gerade mit dieser Personengruppe arbeiten möchten? Oder war das eine ganz spontane Geschichte?
(Tanja Jordan) Das war absoluter Zufall, weil es natürlich auch eine sehr, ich sag mal, in einem kleinen Umfang eine Stelle ist-- bezieht sich nur auf fünf Stunden in der Woche in meinem Fall. Es gibt auch größere Demenzcafés oder Demenzhäuser bei den Maltesern, die praktisch ganztägig da sind und so ein Tagesprogramm haben. Aber in dem Fall, wo ich jetzt bin, da sind es wirklich fünf Stunden in der Woche. Also einmal am Nachmittag treffen wir uns und es war nicht geplant, dass ich mal mit Senioren arbeite. Ich habe mir darüber gar keine Gedanken gemacht. Das war wirklich ein Zufallsprodukt, dass ich die Zeitung aufgeschlagen habe und die Stellenausschreibung war halt eine Fachkraft. Das ist ja auch wieder so eine Sache. Also man hätte da auch Krankenschwester mit Schwerpunkt Gerontopsychiatrie oder irgendwas sein können. Das hätte jetzt keine psychologische Ausbildung sein müssen, aber die Malteser haben mich da natürlich mit offenen Armen empfangen und das fand ich supergut.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Erzählen Sie mal, wie ist das denn grade mit so einer Personengruppe zu arbeiten? Nicht jeder hat ja tatsächlich Berührungspunkte dazu. Also wie ist das so? Vielleicht auch so, wie war Ihr Start?
(Tanja Jordan) Also es sehr schön auf der einen Seite, aber natürlich auch sehr herausfordernd auf der anderen Seite, weil die Menschen dort natürlich auch merken, dass sie abbauen. Und da war auch eigentlich meine größte Herausforderung, diesen Menschen gegenüberzutreten. Also, die Berührungspunkte, da war ich ein bisschen schüchtern. Weil ich nicht so recht wusste, wie gehe ich jetzt mit der Situation um, ne? Viele hören nichts aufgrund ihres Alters, viele verstehen aber auch nicht den Sinn mehr aufgrund der Demenz von dem, was man sagt. Und da muss man natürlich auch situativ immer gucken: Wie geht's heute? Wie wird's weitergehen? Und was mache ich, wenn jemand zum Beispiel abbaut oder wie gehe ich damit um, wenn einer morgen nicht mehr da ist oder, ja, einen Schub hat, der einfach eine starke Verschlechterung des Zustandes jetzt gerade mit sich bringt. Und dadurch, dass es ein Gruppenangebot ist, ist es natürlich auch noch mal herausfordernd, weil man halt einfach mit mehreren Demenz-- also Menschen mit Demenz zusammenarbeitet und auch gucken muss, wie sich die Gruppendynamik da entwickelt. Das ist schon auch sehr interessant.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber es ist ja auf jeden Fall etwas, wenn wir uns so die demografische Entwicklung angucken und ja auch gerade das Fortschreiten dieser Erkrankung, dass es ja auf jeden Fall auch in Zukunft eine Personengruppe ist, die wachsen wird. Das heißt, solche beruflichen Erfahrungen, die Sie da jetzt schon machen, können Sie ja eigentlich für Ihre weitere berufliche Tätigkeit, egal wo Sie hingehen, nur qualifizieren.
(Tanja Jordan) Genau, also generell macht mir das sehr viel Spaß und ich möchte es auch liebend gerne für erstmal sehr, sehr lange Zeit weitermachen. Es ist auch einfach irgendwo ein Geschenk, sag ich mal, weil Menschen mit Demenz sind auch einfach eine Gruppe an Menschen, die ja zum einen Teil auch total offen sind für das, was man ihnen, ich sag mal, anschafft. Also, das ist total nett und sie mögen es zum Beispiel, berührt zu werden. Das war für mich zum Beispiel am Anfang auch so eine Sache, wo ich überhaupt nicht so gut mit klarkam, dass auf einmal irgendwer meinen Arm streichelt oder mich umarmen will oder mir durchs Gesicht streichelt. Das ist bei der Personengruppe dann doch schon mal-- kann passieren, dass man dann auf einmal überschwänglich gekuschelt wird, weil die sich halt sehr freuen. Und das war für mich auch so eine Sache, wo ich mich erst mal daran gewöhnen musste, weil das ist natürlich im Alltag, den wir sonst so erleben, absolut nicht so, dass man auf einmal in die Backe gekniffen wird. Und, ja, also da ist auf jeden Fall auch viel, ja sag ich mal, Potenzial für die eigene Weiterentwicklung bei mir gewesen, weil das einfach mal was ganz anderes war, ne? Ich war vorher im Büro, da wird man in der Regel nicht gekuschelt. Und auch diese Dankbarkeit, die man erfährt, hat man natürlich-- also habe ich so noch nicht erlebt. Also, die Menschen mit Demenz sind sehr-- dadurch, dass sie oft zu Hause auch sozial isoliert sind, werden gepflegt, entweder zu Hause oder halt irgendwo. Und da ist natürlich auch nicht die Zeit. Und wenn sich dann mal einer hinsetzt, wirklich für drei Stunden und spielt mit dir Karten oder Schach, je nachdem, wie halt die Kognition noch da ist. Wir haben auch ein "Mensch ärgere dich nicht" zum Beispiel. Auch wenn die Regeln nicht mehr sitzen, dass das einfach akzeptiert wird, ne? Die Menschen merken so: "Oh, jetzt laufe ich vielleicht rückwärts." Also sie merken, es funktioniert irgendwie was nicht mehr, dass man das nicht so ernst nimmt und einfach den Moment genießt. Das ist einfach was ganz, ganz Tolles.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und haben Sie auch mit Angehörigen Kontakt oder tatsächlich nur mit den Menschen, die dann da in der Zeit bei Ihnen sind?
(Tanja Jordan) Genau, also die Angehörigenarbeit leisten wir aktuell noch nicht in dem Umfang, wie es die Malteser gerne möchten. Da ist auch immer wieder geplant, und das ist auch von Café zu Café ein bisschen unterschiedlich, dass es da zum Beispiel [etwas,] wie so eine Selbsthilfegruppe für Angehörige gibt oder dass es psychologische Beratungsgespräche für Angehörige gibt, ist jetzt aber in unserer Dienststelle nicht der Fall. Aber Tür-und-Angel-Gespräche oder natürlich, wenn sich der Zustand der Demenzpatienten verschlechtert, die natürlich im Rahmen des Cafés primär unsere Gäste und keine Patienten sind, weil wir sie ja nicht betreuen oder pflegen, sondern halt wirklich sozusagen Gastgeber sind, ja, finden, wie gesagt, Tür-und-Angel-Gespräche statt oder natürlich dann mal per Telefon Gespräche darüber, wie es weitergehen könnte oder über den aktuellen Zustand. Genau.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Also ich kenn das aus dem privaten Bereich, dass - also meine Mutter hat meine Oma gepflegt mit einer sehr schnell fortschreitenden Demenzerkrankung - und das ist jetzt schon ein paar Jahre her, ne. Da gab es noch nicht so viele Unterstützungsangebote für Angehörige und ich glaube, das wäre sehr gut gewesen, ne. Wenn man auch so sich mit Gleichgesinnten, sag ich mal, austauschen lässt und dann auch ein bisschen besser versteht, dass man nicht so alleine ist, ne? Also ich finde gerade so Situationen, wo Leute dann eben aggressiv werden, was ja so eine Erkrankung auch mit sich bringen kann, das ist ja für Angehörige häufig auch ganz, ganz schwer auszuhalten, zumal dann, wenn sie sehr nahe dran sind.
(Tanja Jordan) Das ist auf jeden Fall der Fall. Und man muss ja auch bedenken, dass einfach die Angehörigen sehr oft überhaupt gar keine Kenntnisse haben, wie die verschiedenen Demenzformen sich ausprägen oder was das dann letztlich bedeutet. Natürlich haben wir immer ganz vorne die Alzheimer-Demenz. Das ist wahrscheinlich die bekannteste, aber wir hatten zum Beispiel im Café auch einen Herren mit zum Beispiel Frontallappen-Demenz, wo auch sehr viel soziale Kompetenz flöten geht, sag ich jetzt einfach mal, wo einfach so diese sozialen Konventionen nicht mehr so da sind und man sich dann auch einfach mal wie die Axt im Walde verhält. Und das ist natürlich auch für alle eine schwierige Situation. Also sowohl für uns wie auch für die anderen Gäste, aber in erster Linie natürlich für die Angehörigen, die ihre Mama oder ihren Papa natürlich ganz anders kennen und vielleicht auch gar nicht so richtig verstehen, warum sich der Mensch jetzt so verhält und wie es weitergehen soll. Auch ein Stück weit diese Hoffnungslosigkeit schwingt da immer mit. Und das ist natürlich auch ein Prozess, den man mitgeht, weil man natürlich nah an den Menschen dran ist.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn Sie jetzt quasi auf Ihr Studium zurückblicken, hat Sie das auch für diese Personengruppe schon gut vorbereitet?
(Tanja Jordan) Also der Bachelor tatsächlich noch nicht, aber im Master habe ich jetzt Gerontopsychologie abgelegt und das hat mir natürlich stark geholfen, weil da die Demenz als, ich sag mal, das Krankheitsbild älterer Menschen natürlich sehr stark behandelt wird. Aber generell: Man profitiert vom Psychologiestudium, weil man einfach weiß- kommt vielleicht ein bisschen drauf an, wo ich meinen Schwerpunkt gelegt habe im Studium, aber ich denke, dass ich mir dann meinen Beruf auch dementsprechend aussuche. Also wenn ich dann eher in der klinischen Psychologie vielleicht mich zu Hause fühle, werde ich vielleicht tendenziell auch eher das danach machen wollen. Und ich glaube, dass man da auf jeden Fall einen Grundstein legt. Also ich konnte aus dem Studium viel theoretisches Wissen mitnehmen. Das hilft halt dann, wenn man in der Situation ist, erst mal noch nicht so viel. Also toll ist es natürlich, wenn man dann irgendwann beides kann. Das ist ein Prozess, und jetzt nach sechs Monaten muss ich sagen, hat sich das auch langsam eingespielt, dass ich so beides gut verbinden kann. Also das geht auch wirklich Step by Step.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn wir jetzt mal in die Zukunft blicken und wenn Sie dann sozusagen Ihren Master abgeschlossen haben, wo sehen Sie sich dann idealerweise? In welchem beruflichen Tätigkeitsfeld?
(Tanja Jordan) Ja, genau. Also zum 01.08. fange ich jetzt erst mal eine Stelle an in einer neuropsychologischen Klinik hauptberuflich. Der Demenzcafé-Job ist ja ein nebenberuflicher Job. Und da bin ich dann erst mal sozusagen mit meinem Bachelor in sozialem Dienst. Da werde ich dann erst mal jetzt beratend tätig sein und zu einem sozialen Bereich. Und wenn das gut läuft, dann hat man mir Hoffnung gemacht, dass wir vielleicht drüber reden können, dass ich in die Psychologieabteilung übernommen werden kann. Das ist natürlich mein Ziel. Also das war auch der Grund, warum ich gesagt habe, ich möchte unbedingt den Master machen. Hat man am Anfang des Gesprächs vielleicht schon rausgehört, dass auf jeden Fall die Klinikarbeit meine sein wird. Also da sehe ich mich auf jeden Fall ganz stark. Ob es dann wirklich die Neuropsychologie ist-- also, das ist jetzt eine Klinik für erworbene Hirnschäden, wo ich anfangen werde zu arbeiten. Ob es dann dabei bleibt oder ob ich vielleicht doch in die Psychosomatik dann irgendwann rüber switchen werde, das halte ich mir komplett offen, je nachdem, wie es so läuft und ja, genau.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber so der psychotherapeutische Bereich, der ja auch immer für den ein oder anderen eine Option darstellt, da sehen Sie sich nicht so sehr?
(Tanja Jordan) Eher nicht. Also das Eins-zu-eins-Setting ist jetzt nicht so meine Wunschvorstellung. Auch über mehrere Jahre ist ja dann meistens so eine Langzeittherapie. Ich glaube, ich bin dann eher wirklich der Mensch für Gruppenangebote, für Gruppentherapie, für Psychoedukation. Wobei ich mir natürlich den Heilpraktiker für Psychotherapie auch offenhalte und eventuell wird es dann irgendwann mal so eine kleine Selbstständigkeit nebenberuflich erst mal. Aber tendenziell ist es auf jeden Fall die Klinikarbeit, die mich reizt.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Na ja, und ich sag mal, so ein Heilpraktiker für Psychotherapie, der ist ja eigentlich auch bei dem, was Sie dann schon an beruflichem Wissen mitbringen, schnell gemacht, ne.
(Tanja Jordan) Also der wird sogar angerechnet bei uns im Landkreis. Das ist immer unterschiedlich. Müssen sich diejenigen, die daran Interesse haben, mal erkundigen, wie es bei Ihnen aussieht. Das wird Master-Psychologen angerechnet, wenn sie im Bachelor und im Master jeweils klinische Psychologie hatten. Das wird dann geprüft im Stundenumfang. Ich habe das schon prüfen lassen. Mit dem HFH-Studium wäre das so, dass man den tatsächlich einfach so bekommt. Man zahlt dann praktisch nur die Gebühren für die Eintragung und muss ansonsten keine Prüfung mehr machen, weil das Studium im klinischen Bereich, sozusagen in dem Fall jetzt der HFH, die Anforderung an einen Heilpraktiker in Psychotherapie um Weiten übersteigt sozusagen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und wenn Sie dann sagen, so eine kleine Selbstständigkeit, die man dann in dem Bereich vielleicht noch aufbaut, könnte das ja eigentlich auch noch ganz schön ergänzen dann, was Sie sowieso planen, ne?
(Tanja Jordan) Genau. Also da, wie gesagt, bin ich total offen. Ich mach auch-- hab schon immer verschiedene Dinge in meinem Leben gemacht, viel ausprobiert. Da bin ich so der Typ für. Ich bin nicht so der Planer. Ich rutsch eigentlich eher immer so rein und stell dann fest, ja, das ist es oder nee, das ist es absolut nicht. Und damit bin ich bisher immer gut gefahren und deshalb habe ich nicht vor, das zu ändern.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Nee, also ich finde, wenn man damit gute gefahren ist, soll man das auf jeden Fall beibehalten. Und diese Offenheit zu sagen, ich guck einfach mal was kommt und entscheide dann, ob das was für mich ist oder nicht, die ist doch wunderbar.
(Tanja Jordan) Ja, also der Markt gibt das ja auch aktuell her. Das ist ja jetzt nicht mehr so wie vor zwanzig Jahren, dass man sagt, oh, also jeder, der irgendwie nicht vierzig Jahre jetzt bei Siemens war, hat voll den schrecklichen Lebenslauf und, keine Ahnung, die berufliche Zukunft ist dahin. Das hat sich ja alles super gewandelt und ist auch total salonfähig, in dieser Art und Weise irgendwie sich auszuprobieren. Und das find ich eine sehr, sehr gute Entwicklung.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und wie gesagt, also ich finde, es spricht ja auch gar nichts dagegen, ne. Also ich meine, je planvoller die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen, ne. Nie stimmte, glaub ich, dieses Zitat so sehr wie in der augenblicklichen Zeit. Also wir müssen ja, wenn wir nur mal so die letzten Jahre zurückblicken-- wer hätte schon gedacht, dass es Corona geben wird oder eine Pandemie diesen Ausmaßes und alles, was da dranhängt? Und das hat uns doch eigentlich gezeigt, wie wenig wir wirklich planen können und wie sinnvoll das vielleicht auch ist an der einen oder anderen Stelle, das wirklich auch gar nicht zu tun, ne.
(Tanja Jordan) Ja, auf jeden Fall. Grade die letzten Jahre waren da wegweisend sozusagen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Und wenn Sie jetzt so praktisch Ihr Studium, das Sie ja nun erfolgreich absolviert haben-- bisschen was liegt vor Ihnen. Berufliche Tätigkeiten haben Sie ja doch schon angestrebt und sind da auch schon fleißig dabei. Wenn Sie jetzt mal so noch ein bisschen weiter in die Zukunft blicken, was wäre denn so Ihr absoluter Traumjob, wenn Sie sich den wünschen könnten?
(Tanja Jordan) Ich glaub, den habe ich gar nicht. Also weil ein Traumjob definiert sich für mich nicht nur durch eine einzige Tätigkeit oder durch ein Unternehmen, sondern ich glaub, man muss immer das Gesamte betrachten und solche Dinge wie zum Beispiel ein Kollegenkreis oder das Betriebsklima oder gewisse Bedingungen der Arbeitszeit, ob man da flexibel sein muss, ob man Homeoffice-Optionen hat und so weiter. Das kann man immer schwer berechnen und diese Dinge sind ja auch zum Teil dynamisch, wenn dann jemand das Team verlässt, den man sehr gerne mochte, und jemand Neues kommt, den man vielleicht nicht so mag. Das ist halt auch-- oder mit dem man nicht auf den ersten Punkt so klarkommt. Das sind für mich auch immer Aspekte, wo ich sage, es muss einfach das gesamte Paket stimmen und deshalb gibt es für mich jetzt nicht die Traumstelle. Also, da bin ich komplett offen. Klinikarbeit, ja, aber was es dann am Ende wirklich ist, da muss ich mich überraschen lassen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und das muss ja auch gar nichts Negatives sein, ne? Manchmal ist es ja auch tatsächlich so, dass man sich dann in einem Bereich wiederfindet, den man vielleicht selber gar nicht so unbedingt aufm Zettel hatte und sagt: "Ach Mensch, das könnte ja auch was sein." Also ich finde das immer und erlebe das auch immer als sehr positiv, wenn Leute möglichst offen sind und nicht so festgelegt. Und jetzt nicht sagen: "Oh, ich möchte unbedingt bei jenem Unternehmen oder möchte unbedingt genau diese Tätigkeit." Das ist doch eigentlich total positiv und passt ja auch zu Ihrer Persönlichkeit, so wie Sie das beschreiben, ne?
(Tanja Jordan) Ja. Also, ich hatte immer schon so gehofft - jetzt auch durch das Praktikum im Bachelor, ich habe jetzt auch im Master eins gemacht - da vielleicht so ein bisschen auf die Spur zu kommen, wo es hingehen soll. Ich fand es zum Beispiel superschwer, einen Praktikumsplatz zu bekommen. Jetzt haben die mir bei den Maltesern gesagt: "Ja, also bei uns im Demenzcafé hättest du auch ein Praktikum machen können." Also, es ist halt auch immer schwierig, da so ranzukommen. Also es ist wenig ausgeschrieben und man muss eigentlich wissen, dass es diese Stellen gibt, um dahin zu kommen. Und das finde ich ein bisschen schwierig, weil ich schon eher der Typ bin: So, schlag mal die Zeitung auf, mach mal im Internet "Praktikum", so und so. Sammle ein bisschen Erfahrung, schau mal, was vielleicht was für dich ist, oder wo siehst du dich? Und ich musste feststellen, dass tatsächlich bei uns in der Region - ich komme aus dem Süden Bayerns, ein ganz kleines Dorf - hier gibt es gar nicht so was wie jetzt in München, dass man sagt: "Oh, die suchen Praktikanten oder da die große Klinik." Also, jetzt war alles initiativ und da hätte ich mir ein bisschen mehr gewünscht, dass ich früher draufgekommen wäre, irgendwie mal zu gucken, was-- also nicht nach Stellenanzeigen zu gucken, sondern: Was ist jetzt der Bereich, und da frag ich mal initiativ an. Und das habe ich mir vorgenommen für meinen späteren Lebensweg, dass ich nicht irgendwie auf die Stellenanzeige warte oder so, die jetzt irgendwie mir was Gutes verspricht für meine Zukunft, sondern dass ich vielleicht sage: "Wenn ich irgendwie eine Klinik sehe, wo ich denke, das passt, dann bewerbe ich mich lieber mal initiativ bei dieser Klinik." Das ist, glaube ich, in meinem Fall jetzt ein gutes Verfahren sozusagen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, das ist doch wunderbar. Und wenn wir jetzt so ganz langsam zum Ende kommen, dann interessiert mich und interessiert natürlich auch immer diejenigen, die diese Folgen hören: Haben Sie so ein Lebensmotto oder haben Sie so einen Tipp oder so eine Anregung, was Sie Menschen, die jetzt noch studieren und gerade noch mittendrin sind und vielleicht auch mal mit sich hadern und da in einer schwierigen Phase sind, mitgeben können?
(Tanja Jordan) Also zu dem Thema können wir jetzt einen ganzen Podcast aufnehmen. Mein Motto im Studium ist auf jeden Fall geworden: Gut ist besser als perfekt. Ich war die erste Zeit sehr perfektionistisch, hab jede Hausarbeit dreimal umgedreht und noch mal und habe sehr viel gelernt, teilweise auch unnütz, also Zeit verschwendet, wo einfach der Punkt gekommen ist, den ich verpasst habe, zu sagen: "So, jetzt machst du was anderes und investierst deine Zeit sinnvoll." Also damit bin ich ganz gut gefahren. Das ist das Erste. Und der zweite Tipp wäre auf jeden Fall die Fünf-Fünf-Regel. Das ist auch etwas. Also alles, was in fünf Jahren keine Rolle mehr spielt, darüber rege ich mich nicht länger als fünf Minuten auf. Und am Ende des Tages ist es, glaub ich, sehr, sehr viel, was in fünf Jahren keine Rolle mehr spielt. Und dann können wir das Leben ein bisschen lockerer vielleicht angehen und nicht mehr ganz so streng mit uns sein.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, aber da muss ich noch mal fragen. Also grade zu dem ersten Tipp, mit diesem "Gut ist besser als perfekt". Das höre ich hier tatsächlich in der Form auch nicht das erste Mal, aber ich höre das immer so in unterschiedlichen Abstufungen. Und tatsächlich habe ich schon häufig von Studierenden und auch Absolventen gehört, dass sie sagen, na ja, es waren eigentlich immer die eigenen Ansprüche, die einem so ein bisschen im Weg standen. Man selber so als der größte Kritiker. War das bei Ihnen auch so oder waren das so Erwartungen von außen, denen Sie irgendwie gefallen wollten oder Genüge tun wollten?
(Tanja Jordan) Also, absolut, meine Intention-- ich bin auf einer Hauptschule gewesen. Also niemand hätte gedacht, dass ich jemals studieren würde. In meinem Herzen bin ich auch immer noch irgendwie ein Hauptschüler. Und ich bin nicht so erzogen worden, "Du musst jetzt supergut sein". Das wurde halt akzeptiert. Okay, sie hat eine Note und es passt. Aber für mich war das so, wenn du das jetzt machst, dann musst du das gut machen und dann willst du das gut machen und dann möchtest du auch alles zeigen, was du kannst. Und da verliert man sich, glaube ich, auch schnell drin, weil das gar nicht so nötig ist. Und man muss natürlich auch sagen, bei einem nebenberuflichen Studium, der Name sagt es schon, man hat noch viele, viele andere Sachen zu tun. Oft hat man einen Job, ich habe jetzt in dem Fall auch noch Kinder und da hängt natürlich auch einiges dran. Am Ende hat der Tag vierundzwanzig Stunden und man möchte ja auch mal was für sich tun. Also, ich habe das dann vermisst, dass ich auch mal ein Buch gelesen habe, was nicht zum Fachbereich Psychologie gehört oder mal irgendwie mich mit einer Freundin treffen, ohne zu denken "Ah, okay, in einer halben Stunde und dann kannst du dich noch zwei Stunden dransetzen, bevor du dann schlafen kannst, damit morgen der Wecker klingelt und du wieder arbeiten kannst." Und das ist doch auf die Jahre gesehen-- also, kann man jetzt mal durchhalten. Wenn man das so zwei, drei Jährchen macht, ist es bestimmt okay, aber ich bin jetzt im fünften Jahr und da ist das doch dann ziemlich auslaugend. Also davon bin ich dann irgendwann weggekommen. Auch einfach der Gesundheit zuliebe. Und seitdem geht's mir wesentlich besser, muss ich sagen.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, das glaube ich. Und ich finde-- also, ich habe ja immer so wahnsinnig großen Respekt vor Leuten wie Ihnen, die das nebenbei machen, neben Beruf und dann auch noch neben Kindern. Oder wir haben ja manchmal auch Leute, die haben noch irgendwie Angehörige, die sie zu Hause pflegen. Und ich denke immer, es macht eben einen großen Unterschied, von den Ressourcen her, ob ich nur, in Anführungsstrichen, "nur" studiere und vielleicht nebenbei noch ein bisschen jobbe oder ob ich eben so ein Studium nebenbei mache und eigentlich im Haupterwerb noch tätig bin. Und ich habe ja von so vielen Leuten gehört, was die sozusagen im Hauptberuf noch machen und welche familiären Verpflichtungen noch bestehen und das trotzdem irgendwie hinkriegen. Und da finde ich einfach, das ist wahnsinnig bewundernd und da dürfen sie ja auch sehr, sehr stolz auf sich sein, finde ich, dass das so gelingt, ne. Das finde ich ganz, ganz toll.
(Tanja Jordan) Ja, vielen Dank. Ich habe das auch von vielen Kommilitonen gehört, was die so teilweise stemmen und das ist schon wirklich sehr beeindruckend. Und da kann man dann auch mal Fünfe gerade sein lassen, wie man so schön hier sagt. Und dann muss es halt nicht immer die Eins-Null oder Eins-Drei sein, sondern dann kann man auch mal sagen, jetzt reicht's mit dem Lernen. Ich gehe jetzt joggen oder ich lese noch mal ein gutes Buch oder so was. Und am Ende des Tages, in fünf Jahren, interessiert sich da keiner mehr. Es ist sogar inzwischen so, ich glaub, sogar für meinen Bachelorabschluss interessiert sich jetzt inzwischen keiner mehr so richtig. Also es wartet jeder jetzt auf den Masterabschluss, damit ich halt den Titel habe. Aber ich glaube, dass das jetzt nicht so wichtig ist, ob das jetzt irgendwie eine Eins-Drei, eine Eins-Fünf oder eine Zwei-Null ist, oder eine Vier-Null. Am Ende ist der Titel da sozusagen. Man kann damit ins berufliche Leben fortschreiten und auch dort noch viele Dinge lernen. Also nur, weil ich eine gute Note in meinem Bachelor habe, heißt das ja noch nicht, dass ich total gut gewappnet bin und immer alles gut laufen wird, sondern es kommt ja auch noch das Leben und da passieren halt auch in der Praxis Dinge, die man eben durch das Studium nicht so vorhersehen kann, wo man auch einfach reinwachsen muss. Und deshalb ist das für mich, wie gesagt, jetzt nebensächlich. Natürlich hat man den Anspruch, man möchte es gut machen, man möchte nicht so schludern oder nicht so grade eben über die Klippe springen, aber jetzt nicht in irgendeiner übertriebenen Form, dass man sagt, dafür verzichte ich jetzt auf mein komplettes privates Leben.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Nee, und ehrlicherweise zeigt ja auch die Erfahrung, wenn man jetzt so sehr verbissen an Sachen herangeht und sagt, ich definiere jetzt meinen Lebensinhalt und meinen Lebenssinn nur über eine bestimmte Note, die ich unbedingt erreichen möchte, das wird dann auch schnell wirklich ungesund, ne?
(Tanja Jordan) Und es ist auch sehr frustrierend, wenn diese Note dann mal nicht kommt, obwohl man sich total reingehangen hat. Das ist halt vor allem auch in Klausuren mal so, wo man dann halt eben Blackout hat oder jetzt nicht genau diese Schiene, wo jetzt die Frage drauf ausgelegt ist. Bei Hausarbeiten kann ich vielleicht noch besser noch mal, noch mal und noch mal drüber lesen, aber gerade in so Klausurphasen ist es etwas schwierig, weil da purzelt man rein und wenn man es dann nicht abrufen kann in dem Moment, obwohl man sich eigentlich gut vorbereitet hat und man da so viel Wert drauflegt, ist das doch sehr frustrierend.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und ich finde, man muss ja sagen, Noten an sich sind ja auch immer ein Stück unfair, ne? Muss man ehrlicherweise sagen, sie sind immer eine Momentaufnahme. Und ich finde, es gibt ganz, ganz viele Faktoren. Das sieht man ja, finde ich, auch immer sehr schön bei Kindern in der Schule. Es gibt sehr viele Faktoren, die man auch einfach nicht beeinflussen kann, ne. Auch wenn man das noch so gerne möchte, es geht eben einfach nicht.
(Tanja Jordan) Ja, also vielleicht führt die HFH es ja noch ein. Einfach eine Seite für: "Hier können Sie alles hinschreiben, was Sie wissen, was noch nicht in dieser Klausur abgefragt wurde." Also, das wünsche ich mir manchmal, habe ich so das Bedürfnis, so: "Ah, jetzt wurde das abgefragt", gerade das, wo ich jetzt nicht so gut war, wo man das Bedürfnis hat: Ich möchte jetzt alles andere hinschreiben, was ich mir haarklein erarbeitet habe, was jetzt keiner wissen wollte. Das ist mir auch schon des Öfteren passiert und da muss man einfach drüberstehen. Das ist dann so.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Aber ich gebe das mal als Anregungen-- ich nehme das mal mit und gebe das mal weiter zu gegebener Stelle, ob es da irgendeine Möglichkeit gibt. Also-
(Tanja Jordan) Wäre auf jeden Fall nicht schlecht. Das stößt hoffentlich auf Anklang auch bei den anderen Studenten.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, ich kann das schon verstehen, wenn man sich dann bestimmte Sachen irgendwie vorbereitet hat, von denen man vielleicht glaubte, sie kommen dran, weil sie vielleicht in der Vergangenheit auch öfter schon drankamen und dann kommt irgendwas ganz anderes dran, dass man dann irgendwie so ein bisschen frustriert ist und so das Gefühl hat, man hat es dann irgendwie in Anführungsstrichen natürlich nur umsonst gelernt, weil es jetzt nicht drankam, ne, dass man es dann noch mal irgendwie hinschreiben möchte.
(Tanja Jordan) Ja, auf jeden Fall.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, wunderbar. Und zu Ihrem zweiten Tipp mit dem, was in fünf Jahren keine Rolle mehr spielt. Darüber rege ich mich möglichst nicht länger als fünf Minuten auf. Das sagt sich ja tatsächlich deutlich leichter, als es in der Praxis ist, oder?
(Tanja Jordan) Das ist tatsächlich so. Also, ich muss auch sagen, es geht wahrscheinlich vielen so, die ihre Bachelorarbeit jetzt gerade schreiben oder vielleicht schon geschrieben haben. Also, ich habe auch mal geweint. Das muss man einfach so sagen, weil dann auch dieser ganze Stress und dann kommt die Deadline und dann klappt irgendwas nicht. Und gerade in der Psychologie ist es natürlich so, man muss selber erheben. Man hat es noch nie gemacht. Man ist auch so ein bisschen-- man weiß nicht so, wo die Reise hingeht, und da ist natürlich auch diese Überforderung gepaart mit dem, ja, ich sage auch mal, Stress der letzten Jahre. Also, es ist ja dann auch alles irgendwie so präsent und dann denkt man: „Boah, ausgerechnet jetzt kriegst du es nicht hin." Also da war ich schon teilweise echt fertig und muss aber rückblickend sagen, so schlimm war es eigentlich gar nicht. Also hätte ich mir sparen können. Deshalb ist dieser Tipp umso präsenter, wenn es darum geht, den vielleicht an den einen oder anderen Studenten weiterzugeben.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, und ich finde, es ist auch ein wunderbares Schlusswort, weil ich ja auch immer wieder höre, dass das ist, was Leute so umtreibt, ne, dass man eben auch im Studium für sich so ein bisschen einen Weg finden muss, Dinge zu gewichten, zu priorisieren und auch zu entscheiden: „Womit halte ich mich jetzt wie lange auf?" Grade wenn, so wie Sie sagen, mal irgendwas nicht so richtig funktioniert. Und das wollen wir hier ja auch immer wieder mitgeben und das ist ja sehr viel glaubwürdiger, wenn Sie das machen, die das eben erfolgreich absolviert haben, als wenn es irgendjemand von der HFH täte. Deswegen glaube ich, sind solche Tipps – und das kriege ich eben auch immer wieder als Feedback - halt sehr, sehr gern genommen.
(Tanja Jordan) Ja. Also, wie gesagt, gerade bei der Bachelorarbeit, das ist natürlich etwas, was man, wenn möglich, nicht ein zweites Mal machen möchte. Also wenn ich jetzt irgendwo mal durchfalle oder irgendwas hat jetzt absolut nicht geklappt, ist okay, kriegen wir hin, die nächste Prüfung kommt bestimmt. Aber gerade, wenn man so eine Bachelorarbeit, diese ganze Vorarbeit mit dem Exposé schreiben und was da alles ansteht, wenn man dann irgendwie in dem Druck steht: „Oh Gott, jetzt muss ich das fertig machen, sonst falle ich vielleicht durch und muss das noch mal machen." Das ist natürlich auch noch mal ein anderes Level einfach, als wenn es jetzt [um] irgendeine Klausur geht, die halt im Halbsemester noch mal geschrieben wird. Also, wo man dann ja auch schon mal die Inhalte schon mal gelernt hat, auch wenn es vielleicht dann nicht gereicht hat. Aber wie gesagt, die Bachelorarbeit ist da halt noch mal so ein Stück höher, einfach vom Gefühl her. Einfach auch dieses Abschlussding, das setzt, glaube ich, schon den einen oder anderen dann unter Druck, wenn man es noch nie gemacht hat und auch nicht weiß: „Oh je, wie geht es richtig?" Und so. Und deshalb auf jeden Fall, kann ich motivieren: Einfach tun, nicht so viel darüber nachdenken und das klappt auf jeden Fall irgendwie.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Also das, finde ich, sollten wir jetzt auch wirklich so stehen lassen, weil ich glaube, damit nehmen Sie vielleicht auch so ein Stück weit, ja, nicht den Druck, aber vielleicht geben Sie so ein bisschen Leichtigkeit zurück, zu sagen: „Ach Mensch, man muss ja mal gucken, wer-- Das haben ja schon viele vor euch geschafft. Ihr schafft es auch. Irgendwie kriegt man das schon hin." Und natürlich gehört zu so einem Studium, und natürlich gehört zu so einer Abschlussarbeit auch eine gewisse Schwierigkeit. Ich glaube, das ist auch gewollt. Man zeigt ja letztlich auch, wenn man so ein Studium erfolgreich absolviert hat, egal mit welcher Note, dass man eben auch mal durch so Täler gegangen ist, wo es nicht so lief, ne, wo es vielleicht auch wirklich mal schwierig war und [ein] bisschen frustrierend war, aber man hat es halt geschafft. Und das dokumentiert ja der Abschluss, finde ich auch, dass man eben nicht nur etwas begonnen hat, wo es vielleicht leicht war, etwas zu beginnen, sondern man hat es eben auch abgeschlossen und hat sich auch vielleicht so ein bisschen durchgebissen. Und deswegen ist das eben letztlich ja auch das, was für Arbeitgeber zählt. Weniger, glaube ich, die Note und so wie Sie es gesagt haben, sondern vielmehr der Abschluss, der dann zeigt: "Okay, derjenige hat es eben begonnen und auch zu Ende gebracht", ne?
(Tanja Jordan) Auf jeden Fall, weil das Leben geht ja weiter. Also, nur weil man jetzt so ein Studium begonnen hat, heißt das ja nicht, dass der Rest einfach ruht und sagt: „Ja, konzentrier dich mal auf dein Studium", sondern all die Themen, die einfach im Leben auf einen zukommen, kommen da auch noch mal auf einen zu. Und das ist dann natürlich alles in der Summe genommen dann doch auch noch mal herausfordernder, dass man sich einfach nicht so mit vierzig einfach darauf konzentrieren kann, sondern viele andere Themen in seinem Leben hat, die halt dann auch mal fordern, dass es vielleicht mal nicht so gut läuft.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, aber vielleicht gibt Ihnen genau das ja auch so, ich sag mal, einen realistischen Blick auch auf so ein Studium, ne, zu sagen, vielleicht ist ja das Studium, so wie wir es hier anbieten, näher am Leben, tatsächlich auch was, was so die Biografie oder das Leben ein Stück weit begleitet und eben nicht so den Hauptfokus einnimmt.
(Tanja Jordan) Ja, das unterschreibe ich auf jeden Fall.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, ist doch gut. Frau Jordan, es war ein wunderbares Gespräch mit Ihnen, für das ich mich an der Stelle ganz, ganz herzlich bedanken möchte. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass ganz viele unserer Hörerinnen und Hörer für sich ihre ganz persönlichen Worte daraus finden werden. Vor allen Dingen, glaube ich, Ihre beiden Tipps am Ende. Und insofern ist es ganz, ganz toll, dass Sie sich die Zeit genommen haben, heute das Gespräch mit mir zu führen. Herzlichen Dank dafür.
(Tanja Jordan) Ja, ich danke Ihnen, dass ich angehört wurde.
(Prof. Dr. Birgit Schröder) Ja, sehr gerne. Und ich wünsche Ihnen, dass das genauso weitergeht, wie Sie sich das vorstellen, dass Sie so Ihren persönlichen Weg genauso finden, wie Sie sich das wünschen und am Ende tatsächlich die Tätigkeit für sich ausmachen, wo Sie sich sehen und die Ihnen ganz besonders viel Spaß macht.
(Tanja Jordan) Ja, vielen Dank.