Transkript Berufspädagogik im Dialog – Digitale Bildung
(Marina Schnabel) Liebe Studierende, ich begrüße Sie herzlich als Modulverantwortliche im Modul „Lehren und Lernen in der digitalen Welt". Bei mir im Podcast ist Herr Professor Benjamin Bohn. Er ist ihre Studiengangsleitung für den Masterstudiengang Berufspädagogik. Benjamin Bohn und mich verbinden zwei Gemeinsamkeiten. Erstens: Wir sind beide Schwaben, was man unschwer an unserer Aussprache erkennen kann. Zweitens: Wir haben beide eine große Leidenschaft. Wir sind fasziniert von den Möglichkeiten und der Vielfalt von digitaler Lehre und digitalem Lernen. Heute möchten wir Sie deshalb neugierig machen auf ein Herzstück Ihres Berufspädagogikstudiums: Die digitale Bildung. Lieber Benjamin, zum Einstieg zwei persönliche Fragen an dich: Wie viele Stunden täglich verbringst du denn am Handy, am Tablet oder am PC? Und zweite Frage: Wie viele Stunden täglich dürfen denn deine Kinder das Handy nutzen oder am PC sitzen?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Ja, hallo Marina. Erst mal vielen Dank für die Einladung und vielen Dank, dass ich hier sein darf. Zu deiner ersten Frage: Dadurch, dass mein jetziger Job viel mit PC zu tun hat, würde ich schon sagen, dass ich am Tag acht, neun Stunden am PC sitze. Ja, das hat was damit zu tun, dass wir sehr viel über Teams arbeiten. Hat was damit zu tun, dass wir sehr viel über E-Mail kommunizieren. Und so summiert sich das Ganze relativ schnell. Deswegen würde ich bei mir sagen, dass ich zusammen mit Handyzeit bei guten zehn Stunden bin, an Werktagen wohlgemerkt. An den Wochenenden versuche ich, das etwas zu minimieren. Meine Kinder, die haben noch keine Handys. Das haben wir ausgehandelt. Ich weiß, bei meinem Großen, bei meinem ältesten Sohn, der wird jetzt zehn, da wird es so langsam zum Thema. Aber wir versuchen, das so lange wie möglich noch so zu lassen, dass die eben ohne eigenes Handy durch die Welt gehen.
(Marina Schnabel) Ja. Vielen Dank für diesen kleinen Einblick. Ich greife das gern auf, wie ist es bei mir, um dann überzuleiten in unsere Berufspädagogik. Ich bin kein Digital Native, bin ja schon fortgeschrittenen Alters, bin ganz ohne Digitalisierung aufgewachsen und auch meine Pflegeausbildung war nicht digital. Selber bin ich heute natürlich sehr viel digital unterwegs, aber meine Pflegeausbildung war noch ganz traditionell, mit Kreide, mit Overhead, mit praktischen Übungen. Wenn du jetzt an deine eigene Ausbildung denkst, wie war denn das als Auszubildender in der Pflegeausbildung? Du kennst jetzt die vielen digitalen Möglichkeiten. Was hättest du dir denn gewünscht von den Lehrkräften, damit du wirklich gern lernst, damit der Unterricht attraktiv ist?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Also, mir bleiben da zwei Sachen, sind mir in Erinnerung geblieben. Und zwar, Nummer eins war, wenn mein Dozent in Aktivierung – ich bin ja Altenpfleger von Beruf und ich habe Altenpflegeausbildung gemacht – wenn der ganz stolz mit diesem riesen Röhrenfernseher und den Videokassetten ins Klassenzimmer reingelaufen ist und den reingeschoben hat und gesagt hat: „Heute habe ich mal einen Film für euch." Ja, das war immer ein tolles Highlight für mich, weil es irgendwie abwechselnd war. Und was so für mich sehr prägend war, war dieses Reihum-Lesen. Ich glaube, das macht man heutzutage nimmer. Wir hatten ein Krankheitslehre-Buch und unsere Krankheitslehre-Ärztin, die das unterrichtet hat, die hat uns immer absatzweise in der Reihe vorlesen lassen. Und dadurch habe ich mich immer so unter Druck gesetzt gefühlt, dass ich, na ja, ohne Stottern laut vorlesen kann und habe dadurch immer versucht, Absätze abzuzählen und zu gucken: „Wann bin ich dran?" Und habe das dann vorgelesen. Was dazu geführt hat: Ich habe überhaupt nichts gelernt, weil ich nur damit beschäftigt war, zu warten, bis ich dran bin. Das war so dieses eindrücklichste Ding und da hätte ich mir durchaus auch andere Methoden, oder auch digitale Methoden eben, gewünscht, um das Ganze, um mir den Druck zu nehmen. Und ich glaube, das ist ein großer Bestandteil von digitaler Lehre, dass man eben den Druck nimmt, vom "lernen zu müssen", hin zu "lernen zu wollen".
(Marina Schnabel) Ja, das ist ein sehr schöner Wandel in der Lernkultur, den ja ich auch gut nachvollziehen kann und positiv finde, weil er wirklich die Motivation stärkt, aber mit Sicherheit auch den Lernerfolg, wenn die Auszubildenden auch selber mitentscheiden können: Wie wird denn das Lernen gestaltet? Und ich denke, das ist ja wahrscheinlich auch einer der großen Vorteile beim Einsatz von digitalen Medien in der Ausbildung. Würdest du die noch mal ein bisschen ausführen, die Vorteile aus deiner Sicht, wenn man die verschiedenen digitalen Medien einsetzt, in der Pflegeausbildung, in der Berufsausbildung?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Ja, also zum einen haben wir natürlich den großen Vorteil, dass jeder lernen kann, wie es ihm... für sich selber am besten passt. Also wenn ich jetzt gerade in meinem Beispiel bleibe, ich habe noch nie gut gelernt, indem ich unter Druck laut vorlesen musste. Das mag für den einen oder anderen eben passen. Für mich hat es damals nicht gepasst und hätte ich die Möglichkeit gehabt, das an einer anderen Stelle zu machen oder eben zu einer anderen Zeit zu machen, hätte ich mit Sicherheit mehr da draus genommen. Und so können wir eben mit digitalen Medien ganz unterschiedliche Lernkanäle ansprechen, damit für jeden so was Passendes dabei ist. Und auch was, was ich als großen Faktor sehe: zeitunabhängig und flexibel auch zu arbeiten, indem ich Dinge zur Verfügung stelle. Wir haben vor, oh Gott, das ist schon ewig her, 2015, 2016 angefangen mit "Leele" zu lernen, zu zu lernen in der Pflegeausbildung, als ich so langsam angefangen habe, in die Pädagogik einzusteigen. Und schon da war es möglich, Texte hochzuladen auf so eine Lernplattform, wo eben die Lernenden oder die Auszubildenden immer darauf zugreifen konnten und nicht darauf angewiesen waren, dass ich eine Kopie beispielsweise austeile oder einen Klassensatz mit "Pflege Heute"-Büchern zur Verfügung stellen kann. Und das halte ich für eine große Errungenschaft in der heutigen Zeit, dass man das Ganze für jeden passend machen kann.
(Marina Schnabel) Das erfordert für die Lernenden aber eine große Selbstdisziplin, eine hohe Organisationskompetenz, eine hohe Motivation und natürlich auch durchaus verschiedene, wirklich rein digitale, technologische Kompetenzen. Nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Lehrenden, die ja diese Tools anbieten müssen. Wie ist denn so deine Einschätzung bezüglich der digitalen Kompetenzen, die Lehrende mitbringen oder mitbringen sollten, um digitale Medien einzusetzen, aber auch die Kompetenzen der Auszubildenden? Nur weil man mit dem Handy aufgewachsen ist, kann man ja nicht unbedingt alle diese digitalen Tools einsetzen. Welche Kompetenzen bringen die mit? Und vielleicht auch noch, das ist jetzt eine weiterführende Frage: Welche Rahmenbedingungen oder Voraussetzungen braucht es dann, um die digitalen Medien einzusetzen?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Also ich glaube, und das kriege ich aktuell in meiner privaten Situation mit, dass in der Schule angefangen werden muss, mit digitalen Medien so zu arbeiten, dass man von Kind auf lernt, wie man verantwortungsvoll damit umgeht. Ja, sei es Social Media, sei es, ich schreibe auf einem iPad und nicht auf Papier. Und das kriege ich mit, dass die Schulen das bei meinem ältesten Sohn eben anfangen. Die haben Lern-Apps, die sie in der Schule bedienen, wo sie da zu Hause auch drauf zugreifen können und wie die immer wieder ebenso digitale Aspekte in den Unterricht mit einbinden. Ich glaube, dass das ein großer Vorteil für die Generation wird, die dann letzten Endes aus dieser Schulwelt entlassen wird. Ich habe vor ein paar..., über Ostern war das, einen Artikel gelesen, wo es darum ging: Es gibt wohl eine Zwischengeneration zwischen Generation X und Generation..., den Millennials, wo ich genau dazugehöre. Und die soll wohl sehr gut mit digitalen Kompetenzen ausgestattet sein, weil meine Generation sowohl dieses Aufwachsen ohne digitale Medien kennt, aber auch diese Transformation. Wir haben sehr viel digital miterlebt hat, wodurch es uns anscheinend sehr leicht fallen soll, uns auf neue digitale Geschichten einzulassen.
(Marina Schnabel) Aber die Lehrer sind ja aus der höheren oder älteren Generation. Wie ist es denn da, oder vielfach vielleicht?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Naja, also ich kenne schon auch Kolleg*innen, die sich da durchaus schwer tun, das Ganze einzusetzen, habe aber immer und tue es auch weiterhin, sehr, sehr geschätzt, dass man in einem Team von Lehrenden eben auch verschiedene Sichtweisen darauf hat bzw. auch verschiedene Kompetenzen darauf hat. Weil ich auch nicht glaube, dass reine digitale Lehre das Allheilmittel ist, sondern dass es durchaus auch seinen Charme hat, übertrieben gesagt mit einem Overhead Projektor mal, keine Ahnung, ein anatomisches Bild von dem Herzen zu beschriften. Ja, das wahrscheinlich genauso viel Sinn und hat Daseinsberechtigung, wie wenn ich das jetzt mit einer 3D-Brille mache und durchs Herz durchlaufen kann. Von daher glaube ich, dass der Mix, wie immer, das Gewinnbringende dabei ist.
(Marina Schnabel) Und ich denke, was ganz wichtig ist in dem Kontext, ist auch die Teamkompetenz. Dass man im Team miteinander lernt und dran bleibt und sagt: "Die Erfahrung habe ich gemacht mit dem Tool" oder "ich würde gerne was Neues ausprobieren" oder "ich habe diese Unterrichtssituation und ich würde mir was Neues wünschen". Was hast du schon für Erfahrungen gemacht? Also dass wir als Pädagoginnen auch da eine Offenheit im Team zeigen und uns gegenseitig unterstützen. Und uns so eben weiterentwickeln können, uns selbst, aber auch unsere Unterrichte. Finde ich total spannend.
(Prof Dr Benjamin Bohn) Richtig. Und ich glaube, das Wichtige an dem Ganzen ist, dass wir nicht stehenbleiben als Pädagog*innen, die wir sind und eben sagen: „Ja, wir wissen ja jetzt, wie der PC angeht und es reicht uns" – sondern, dass wir uns eben mit neuen Dingen genauso beschäftigen und das eben zu unserem Job gehört. Also bestes Beispiel: ChatGPT. Das hat angefangen mit „Die Hochschulen fühlen sich bedroht von ChatGPT, weil der jetzt plötzlich alles weiß. Oder irgendwelche Arbeitsplätze werden davon bedroht, dass ChatGPT irgendwas kann. Wenn man es sich genauer anguckt, ist ChatGPT einfach nur eine Suchmaschine weiterentwickelt letzten Endes. Und damit müssen wir wachsen und wir müssen da unsere Angebote dementsprechend anpassen. Aber wenn ich mir überlege, ich hätte 1960 eine Bachelorarbeit schreiben müssen, dann wäre ich vermutlich in der Bibliothek, keine Ahnung, verloren gegangen, weil ich die Art von Recherche überhaupt nicht kenne. Ich kenne PDFs, ich kenne E-Books, ich kenne die Suchfunktion von den Dokumenten, die mir so vieles leichter gemacht haben. Das haben Personen vor ein paar Jahren noch gar nicht gehabt und ich glaube, so geht es mit den neueren Entwicklungen, was KI zum Beispiel angeht, genauso, dass wir uns in zehn Jahren die Gedanken gar nicht mehr machen.
(Marina Schnabel) Ja. Und ich denke, es ist auch wichtig, immer wieder sich selbst zu reflektieren und zu sehen: Wo sind Grenzen? Wo sind Herausforderungen? Und dann offen zu sein für neue Unterrichtsmethoden, für die Impulse aus Weiterentwicklungen, von den Kollegen und so weiter. Und auch draufzuschauen, ganz bewusst als Pädagoge: Welche Lernvoraussetzungen bringen unsere Auszubildenden mit? Welche Erwartungen haben sie? Und ich denke, die haben durchaus jetzt Erwartungen an uns. An andere Unterrichtsmethoden, die eben auf ihre Individualität eingehen, weil Individualität in unserer Gesellschaft ja einen hohen Stellenwert hat. Ich finde das Konzept "Blended Learning", da würde ich jetzt gerne auf eine weiterführende Frage eingehen: Dieses pädagogische Konzept für digitale Bildung ist ja ein ganz tolles Konzept. Das verbindet Selbstlernen und Präsenzphasen der Lernenden mit einer individuellen Betreuung durch die Pädagogen, den Pädagogen. Und ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Es hat einen ganz positiven Einfluss auf die Lernmotivation und auch auf die Lernergebnisse, weil die Lernenden angeleitet, aber viel selbstorganisierter und selbstgesteuerter lernen können mit diesem gemischten Konzept aus: Ich bin in Präsenz, die Lehrkraft ist da und ich habe aber auch Aufgaben, die ich selber erfüllen kann, Leseaufträge und Rechercheaufträge. Und ja, die positive Wirkung habe ich so beobachtet. Aber welche Erfahrungen hast du gemacht? Wie siehst du dieses Konzept?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Ich halte es für eine riesen Chance, genau aus den Gründen, die du da auch genannt hast. Ich habe aber auch erlebt, dass viele Auszubildenden, gerade wenn die in der Ausbildung frisch angefangen haben, erst mal überfordert sind mit dieser Freiheit. Also was man, glaube ich, heutzutage lernen muss, wenn solche Konzepte umgesetzt werden, ist zum einen für die Lehrkräfte: Ich muss akzeptieren, was ich als Antwort kriege auf meine Fragestellungen. Das hat was mit Konstruktivismus zu tun. Je offener ich frage, desto mehr muss ich auch offen sein in der Antwortmöglichkeit, die ich kriege, ob die mir jetzt gefällt oder nicht. Und ich muss aus der Perspektive von Lernenden eben lernen, mit Freiheit umzugehen, die weggeht von diesem schulischen, getakteten Lerngedanke, sofern der in den Schulen noch existiert. Also, dass mir der Lehrer sagt, was ich jetzt zu tun habe und ich 20 Minuten Zeit dafür habe, wird ja durch dieses ganze Konzept dahingehend aufgebrochen, dass ich plötzlich keine zeitliche Komponente mehr habe, sondern eben da freier bin. Und das muss ich können. Da muss ich auch – das hast du ganz am Anfang gesagt von unserem Gespräch – da muss ich auch die Motivation haben, mich da hinzusetzen und das letzten Endes dann auch zu tun.
(Marina Schnabel) Und als Lehrkraft – das ist noch meine Erfahrung – gibt es noch ein weiteres Spannungsverhältnis: Wir sind ja in einem institutionellen Kontext und am Ende muss eine Prüfung absolviert werden, die diese ganzen Freiheiten, die wir im Lernprozess machen können, beim Blended Learning oder eben beim selbst organisierten Lernen, eigentlich konterkarieren, weil man am Ende häufig genau die Antwort geben muss und wo die Voraussetzungen, die Antwort geben zu können, im Unterricht präsentiert werden sollten, eigentlich. Aber jetzt wollen wir ja mehr selbstorganisiert arbeiten und eine andere Nachhaltigkeit erreichen, als wenn die Auszubildenden nur das wiedergeben, was wir als Pädagogen schon im Unterricht thematisiert haben. Da steckt ja auch eine große Chance drin. Aber wir haben eine große Freiheit, und trotzdem, ja, innerhalb eines definierten Rahmens. Am Ende soll ja ein Abschluss rauskommen, gell? Das ist für die Lehrenden sicher nicht immer einfach.
(Prof Dr Benjamin Bohn) Da hat man, meiner Meinung nach, in dieser Novellierung von dem Pflegeberufegesetz ne große Chance verpasst, eben diese Abschlussprüfungen, diese Examensprüfungen, zeitgemäßer zu gestalten, sondern hat die einfach letzten Endes so übernommen, wie sie in den alten Gesetzen drin waren. Wodurch man dann am Ende von der, so innovativ wir in der Ausbildung sind, am Ende von der Ausbildung wieder in Richtung "Wissen abfragen" gehen, was wir eigentlich ja überhaupt nicht mehr wollen.
(Marina Schnabel) Was zum pädagogischen Konzept gar nicht wirklich passt mehr. Das muss man wirklich sagen.
(Prof Dr Benjamin Bohn) Und bezogen auf die Kompetenzorientierung ja ohnehin.
(Marina Schnabel) Genau. Es konterkariert das einfach, gell? Ja, gut –gehen wir noch mal zurück zum Einsatz von digitalen Medien im Unterricht. Wenn du jetzt Lehrkräfte beraten solltest, die noch nicht so viel Erfahrung mit dem Einsatz von digitalen Medien haben. Es ist ja auch nicht jede Schule schon ganz toll ausgestattet. Ist ja immer auch eine finanzielle Frage, eine Frage der Zeit. Ich muss mich damit auseinandersetzen, mit beschäftigen. Ich muss Schulungen besuchen. Es gibt ja so viele Möglichkeiten, digitale Medien einzusetzen. Welche Empfehlungen würdest du denn den Lehrkräften geben? Die anfangen, erste Erfahrungen zu sammeln oder die einfach mehr noch einsetzen möchten? Wo finden sie Hilfestellungen? Was würdest du ihnen so mit auf den Weg geben?
(Prof Dr Benjamin Bohn) Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es darum geht, seinen eigenen Weg zu finden und so seinen eigenen Lernstil zu finden. Sagen uns übrigens auch Heimann / Otto / Schulz mit dem Berliner Modell, dass es letzten Endes in der Reflexion von Unterricht darum geht, so seinen Stil zu finden. Und den Stil finde ich wichtig und den finde ich wichtiger wie: "Ich muss jetzt soundso viele digitale Medien in meinem Unterricht erbringen." Wie gesagt: Hast du 'ne coole Overhead-Projektor-Folie, kann das genauso gut sein, wie wenn meine PowerPoint-Präsentation explodiert, ja? Von daher glaube ich, dass das das Wichtige für eine Lehrperson heutzutage ist. Sie fühlt sich wohl in dem, was sie tut. Und das hat was damit zu tun, dass ich nicht überfordert bin mit dem, was ich im Unterricht machen muss oder will. Deswegen würde ich das gar nicht so pauschal sagen. Ich würde aber auch immer dazu raten, Dinge auszuprobieren, weil es überhaupt... Also es ist ja nix Schlimmes dabei, wenn ich neunzig Minuten Unterricht habe, wo ich zum Schluss von dem Unterricht sagen muss: Das ist jetzt nicht so gut gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Manchmal liegt's ja auch dran, dass die Adressaten das einfach nicht gut finden, ja? Also, keine Ahnung, habe ich ein gutes Beispiel? Ich habe immer gedacht: Eine schöne PowerPoint – da bleiben dann alle sehr, sehr an meinen Lippen hängen. Wenn da viel passiert in der PowerPoint und da sich Sachen bewegen. Letzten Endes nimmt man das zwei Mal wahr und dann ist es relativ normal, dass das funktioniert und ich bin enttäuscht, dass keiner gesagt hat, "Oh, das ist aber toll, dass die Kacheln sich von links nach rechts bewegen." Deswegen muss man da immer gucken, dass man da eine gute Mischung findet. Aber natürlich: Wenn wir weg von diesen Unterrichtsmethoden gehen, also was ich einfach in dem Unterricht anwende, muss man sich natürlich dahingehend weiterbilden. Wenn es darum geht, Prüfungsleistungen... wie kann ich ich alternative Prüfungsformen anbieten? Was mache ich jetzt beispielsweise mit ChatGPT? Und dafür muss ich mich damit auseinandersetzen, weil ich mich da dann... also ich muss dann die Möglichkeiten eben kennen, was diese Produkte dann letzten Endes haben. Ich könnte ja durchaus, zum Beispiel, drüber nachdenken, warum soll ich ChatGPT in einer Klausur nicht zulassen? Ja? Dann muss ich mich anders drauf einlassen. Dann muss halt die Klausur anders aussehen. Aber dafür muss ich wissen, was ChatGPT bringt, zum Beispiel. Oder ich hab jetzt von einem Projektbericht gehört, von einer Hochschule, die statt einem Projektbericht, ein Video gemacht haben mit dem Ziel. Eine 300-Seiten-Projektbericht liest keiner, ein 5-Minuten-Video schaut jeder an. Sodass man digitale Medien, also zum Beispiel jetzt auch so einsetzen kann, dass einfach Dinge interessanter werden oder dass ich Inhalte eben verkürze. Im Sinne von didaktischer Reduktion beispielsweise, ja? Dass ich sage, da arbeite ich mit einem Erklärvideo, das geht eine Minute dreißig. Und es ist vielleicht besser, als den Bohn daraus vorlesen zu lassen, ja? Aber dafür muss ich Möglichkeiten kennen und dafür muss ich mich natürlich so weiterbilden, dass ich das auch umsetzen kann, das ist klar.
(Marina Schnabel) Ja, danke für deine Ausführungen. Ich glaube, man kann das ganz gut auch so den Lehrkräften mitgeben. Ja, auch sie, nicht nur die Lernenden, brauchen eine gewisse Neugier, eine Lust aufs Lernen, eine Lust, sich selbst zu reflektieren, zu wissen, was kann ich, wo möchte ich mich weiterentwickeln. Und dann einfach auch so einen Wagemut, sich auszuprobieren. Man muss nicht perfekt sein, sondern man kann Dinge ausprobieren. Vielleicht ist auch tatsächlich – ich finde den Gedanken ganz reizvoll –, nicht der perfekte Unterricht der, in dem die Lernenden lernen – vielleicht lernen auch manchmal wir Lehrenden mehr im Unterricht als die Lernenden. Und sich das zuzugestehen und zu sagen, ja. Vielleicht an das erinnern sich doch manchmal auch die Auszubildenden. Also mir ging's zumindest oft so, dass ich mich da noch mehr dran erinnert hab als an das, was immer so super perfekt gelaufen ist.
(Prof Dr Benjamin Bohn) Richtig. Und das größte Ding ist, ich glaub: Man darf sich selber nicht zu ernst nehmen in seiner Rolle.
(Marina Schnabel) Ja, das ist richtig. Da hast jetzt schon... jetzt wollte ich dich gerade noch nach so einer Empfehlung auch für die Studierenden fragen, und die Lehrenden. Gilt auch für unsere Studierenden: Man sollte schon sein Studium ernst nehmen, aber sich selber nicht unbedingt nur unter Druck setzen, denn es soll ja am Ende auch Freude machen – nicht nur ein Zertifikat rauskommen. Ich möchte mich bedanken bei dir für dieses angeregte Gespräch. Es hat mir echt Spaß gemacht und vielleicht gibt's noch einen prägnanten Satz, den du gern zum Abschluss sagen möchtest. So ganz spontan. Ich weiß, das ist immer eine Herausforderung, aber es gehört irgendwie vielleicht zu einem guten Schluss dazu. Und das Schlusswort soll dir als Studiengangsleiter gebühren für unseren Podcast. Ich bedanke mich, dass du da warst und natürlich auch der technischen Unterstützung, Herrn Dinkuhn von der HFH. Ich freue mich, wenn Sie, liebe Studierende, wieder zuhören, wenn wir mal wieder einen Podcast aufnehmen. Und jetzt würde ich gerne das letzte Wort an Herrn Professor Bohn geben.
(Prof Dr Benjamin Bohn) Ja, vielen Dank. Also meine letzten Worte wären: Probieren Sie sich aus, trauen Sie sich was – und alles, was schiefgeht, ist egal. Weil ich habe einen schlauen Satz von John Cleese gelesen, einer von Monty Python. Der hat gesagt: „Wenn du kreative Mitarbeiter willst, musst du sie spielen lassen." Und genau an das glaube ich. Also spielen Sie mit digitalen Medien und versuchen Sie, Ihren Stil zu finden. Dann wird alles gut. Und: Je mehr Sie Ihren Stil haben, umso authentischer wird Ihre Lehre und umso besser kommt das an, was Sie zu sagen haben. Vielen Dank.