Orientierungswissen

Ethik – warum sie in fast allen Berufen wichtig ist

Thomas Graf
Zeichnungen auf Boden mit einer menschlichen Hand und Daumen hoch

Einblicke in berufsethische Fragen mit Tipps zur weiteren Recherche

Wie hältst Du’s mit der Wahrheit? Sollte man grundsätzlich immer ehrlich sein und sagen, was man denkt – egal, ob das Gegenüber dadurch gekränkt oder verletzt wird? Oder ist es in Ordnung oder gar notwendig, Notlügen zu nutzen, wenn andere dadurch geschont werden?

Dieses einfache Beispiel eines ethischen Dilemmas kennt jeder und zeigt, wie alltäglich Fragen der Ethik und der Moral sind. Sie begegnen uns ständig und überall. Jedes Mal treffen wir Entscheidungen, häufig, ohne dass uns bewusst ist, dass wir womöglich vor einer ethischen Frage oder gar einem ethischen Dilemma stehen. Schon Kinder sind immer wieder mit moralischen Fragen konfrontiert – hilfreicher Kompass für korrektes Verhalten ist meist ihr eigenes Gewissen.

In der öffentlichen Diskussion sind ethische Probleme in den vergangenen Monaten nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie sichtbar geworden. Dabei beschränken sich ethische Konflikte natürlich nicht auf das Gesundheitswesen. In diesem Beitrag möchten wir näher auf das Thema (Berufs-)Ethik eingehen und einige Recherchetipps geben.
 

Berufsethik – Richtlinien für angemessenes Verhalten

Ethik als Teilgebiet der Philosophie ist die Lehre von moralischen Werten und Normen, die unser Handeln und unser Zusammenleben regeln. Die Berufsethik beschreibt Teildisziplinen, in denen diese Werte und Normen den Beschäftigten als Richtlinien dienen können: Sogenannte berufsethische Grundsätze, an denen sich Angehörige eines bestimmten Berufsstandes orientieren sollten – um etwa moralische Konflikte möglichst angemessen lösen zu können. 

Diese ethischen Grundsätze sind vor allem dann wichtig, wenn es keinen klaren rechtlichen Rahmen gibt, der unser Handeln vorgibt – in diesen Fällen geht es um die Selbstverantwortung mit Blick auf moralisches Handelns, das sich etwa an Prinzipien der Verantwortung, der Fairness und des gegenseitigen Respekts ausrichten kann.

Wir blicken hier vor allem auf berufliche Bereiche, die euch besonders interessieren dürften, wenn ihr an einem der drei Fachbereiche der HFH studiert:  

Ethik im Gesundheits- und Sozialwesen

Schon die Tatsache, dass es im Gesundheitswesen um die Behandlung von Patient:innen geht, also in aller Regel um Menschen in vulnerablen Positionen, macht klar, dass ethisches Handeln hier eine enorm wichtige Rolle spielt. Patient:innen müssen darauf vertrauen, dass ihre Gesundheit bei den medizinischen und pflegerischen Fachkräften im Mittelpunkt steht und diese in ihrem Interesse handeln und eine bestmögliche Versorgung sicherstellen.

Für Beschäftigte im Gesundheitswesen erfordert dies ein enormes Verantwortungsbewusstsein und ein hohes Maß an ethischer Sensibilität. Entsprechend gibt es im HFH-Fachbereich Gesundheit und Pflege ein Modul Ethik, das auch einzeln als akademische Weiterbildung Ethik absolviert werden kann.

Als Unterdisziplin der Medizinethik hat sich eine Pflegethik etabliert, die „neben individualethischen Fragen etwa eines respekt- und verantwortungsvollen Umgangs von Pflegenden mit Pflegebedürftigen auch organisations- und sozialethische Fragen behandelt“ (vgl. Deutscher Ethikrat zum Thema Pflege). 

Ethisch schwierig sind grundsätzlich alle Formen von Zwangsmaßnahmen (vgl. Deutscher Ethikrat zum Thema „Wohltätiger Zwang“), welche die Autonomie von Patient:innen tangieren und die in der Regel mit dem Selbstschutz für Patient:innen oder dem Schutz von Dritten begründet werden.

Während der Pandemie wurden zahlreiche Herausforderungen in diesem Zusammenhang deutlich. Wichtige Begriffe sind hier z.B. Vulnerabilität, Systemrelevanz, Akzeptanz und Solidarität sowie das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit. Interessant in diesem Zusammenhang ist z.B. der Text „Normative Fragen des Umgangs mit einer Pandemie“ des Deutschen Ethikrates. 

Auch im Sozialwesen, z.B. in der Profession der Sozialen Arbeit, sind ethische Gesichtspunkte zentral. Hier geht es ebenfalls häufig um die Unterstützung von Menschen, die sich in hilfsbedürftigen Positionen befinden. Fragen der Würde, insbesondere der Achtung von Autonomie der Klient:innen, der Gerechtigkeit und Solidarität sind hier wichtige ethische Aspekte. Interessant für Studierende im Sozialbereich sind hier sicherlich die Positionen zur Berufsethik des Deutschen Berufsverbands für Soziale Arbeit.

Wirtschafts- und Unternehmensethik

Auch im ökonomischen Umfeld spielt Ethik eine zunehmend wichtige Rolle. Wirtschaftsethik beschäftigt sich dabei mit allgemeinen moralischen Werten und Normen, Unternehmensethik als ihr Teilgebiet mit der Frage, welchen moralischen Wertvorstellungen Unternehmen genügen sollten. Nachhaltiges Denken und Handeln ist im Zusammenhang mit einer verantwortungsbewussten Unternehmensführung elementar, entsprechend gibt es im HFH-Fachbereich Wirtschaft und Recht das Weiterbildungsmodul Nachhaltigkeitsmanagement, das in mehreren Studiengängen anrechenbar ist.

Heute wird – auch durch die Konsument:innen – nicht nur rechtskonformes Verhalten (Compliance) von Unternehmen verlangt, sondern darüber hinaus auch die Einhaltung bestimmter unternehmensethischer Standards. Dabei sind Themen wie Umweltschutz, Personalentwicklung und -führung, Arbeitsplatzsicherung und die Sozialverträglichkeit unternehmerischer Entscheidungen wichtige Aspekte, die Kund:innen aber auch Mitarbeitende und Geschäftspartner:innen als Kriterium für oder gegen ein Unternehmen heranziehen – und die somit mitentscheidend für den unternehmerischen Erfolg sind.

Mit Unternehmensethik verbunden ist die praktische Frage, wie unternehmerische und moralische Ziele in Einklang gebracht werden können. Denn Unternehmensethik verfolgt das Ziel, handlungsleitende Normen im Sinne einer Selbstverpflichtung – und damit über die geltenden Gesetze hinaus – in Kraft zu setzen.

Mit Corporate Social Responsibility (CSR) hat sich ein eigenständiger Begriff etabliert, der den Fokus auf gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens bezeichnet. Nachhaltigkeit in diesem Sinne umfasst eine ökologische, ökonomische und soziale Dimension. Um mehr über das Thema Corporate Social Responsibility allgemein zu erfahren, bietet sich als Einstieg die Website www.csr-in-deutschland.de des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an. 

Darüber hinaus gibt es weitergehende Ansätze, etwa das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), die weitere Aspekte für nachhaltiges und ethisch verantwortliches Handeln im unternehmerischen Bereich verankern möchte. Zum spannenden Ansatz der Gemeinwöhl-Ökonomie bietet die HFH zwei Weiterbildungsmodule an: Einführung in die GWÖ und Angewandte GWÖ. Beide schließen auf Wunsch mit einem offiziellen Hochschulzertifikat der HFH ab. 

In diesem News-Beitrag geben wir eine Übersicht, welche Weiterbildungsmöglichkeiten die HFH zum Themenbereich Nachhaltigkeit und Ethik bietet und wie sie sich unterscheiden. 

Technikethik

Technik und Technologien entwickeln sich heute so rasant, dass es enorm schwierig ist, die Auswirkungen auf Menschen und Gesellschaft abzuschätzen. Inzwischen stehen wir mit dem Sprung von mechanisierter zu digitalisierter Arbeit mitten in der vierten industriellen Revolution, die etwa durch Begriffe wie Industrie 4.0 oder Arbeit 4.0 beschrieben wird. Durch die enormen Auswirkungen auf fast alle gesellschaftlichen Bereiche, die technologiegetriebene Revolutionen mit sich bringen, kommt der Ethik in diesem Bereich eine enorm wichtige Bedeutung zu. 

Die Technikethik bezieht sich auf die Folgewirkungen dieser Fortschritte und wirft ethische und moralische Fragen auf, die sich aus der Entwicklung und Nutzung von Technologie ergeben, z.B. für Umwelt, Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft. Sie fragt etwa danach, wie Technik so entwickelt und eingesetzt werden kann, dass die Folgen im Einklang mit moralischen und ethischen Werten stehen und den Menschen nützlich sind, statt ihnen zu schaden.

Am Beispiel aktueller Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz (KI) können wir derzeit live beobachten, wie sich daran zugleich Hoffnungen und Befürchtungen entspinnen:

Wenn KI-gesteuerte Maschinen, Roboter oder KI-basierte Sprachmodelle, wie das aktuell vieldiskutierte ChatGPT, immer mehr Arbeiten erledigen können, was passiert dann mit den beschäftigten Menschen? Unterstützt KI die Arbeit von Ingenieuren, Programmierern, Redakteuren und Wissenschaftlern – oder gefährdet sie im großen Stil deren Arbeitsplätze? 

Die Beispiele zeigen nicht nur, dass die Folgewirkungen von sich exponentiell beschleunigenden Entwicklungen für die meisten Menschen höchstens grob zu erahnen sind. Sie zeigen auch, dass diese Entwicklungen zahlreiche rechtliche und moralische Fragen aufwerfen – und dass eine Auseinandersetzung aus ethischer Perspektive unabdingbar ist. Hochaktuell ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates „Mensch und Maschine – Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz“ vom 20.3.2023.

Ethische Standards in der Wissenschaft

Die kurzen Einblicke in die genannten Berufsfelder lassen erahnen, dass sich ethisch-moralische Fragen nicht nur auf diese beschränken, sondern in beinahe allen Berufen stellen; auch in Berufen der Wissenschaft und Forschung ist Ethik von großer Bedeutung. 

Um die Integrität ihrer Forschung sicherzustellen, müssen sich Wissenschaftler:innen an bestimmte Regeln halten. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie ehrlich und transparent arbeiten und keine falschen oder manipulierten Ergebnisse präsentieren dürfen. 

Wie etwa mit Ergebnissen aus Forschungsprozessen umgegangen werden soll, an denen Künstliche Intelligenz beteiligt war, ist bereits jetzt Gegenstand einer großen Debatte. Wie kann dabei zum Beispiel noch die eben genannte Ehrlichkeit und Transparenz gewährleistet werden? Einblicke in die laufende Diskussion geben dazu z.B. aktuelle Rechtsgutachten der Unis Bochum und Münster und des britischen Universitätsverlags Cambridge University Press.

Doch auch abseits von neuen KI-Entwicklungen spielt Ethik in der Wissenschaft immer schon eine wichtige Rolle. Zum Beispiel im Forschungsprozess bei der Durchführung von Experimenten, insbesondere wenn es um den Schutz von Menschen und Tieren geht.

Die Debatte um die Geschwindigkeit von Impfstoffzulassungen ist auch hier wieder ein Beispiel für eine ethische Kontroverse, die uns aus den Pandemiejahren bekannt ist. Tierversuche sind ein weiteres, schon lange diskutiertes ethisches Problemthema, das nach Gesichtspunkten der Moral kontrovers diskutiert wird, weil es zwangsläufig Unterscheidungen über den „Wert“ von tierischem und menschlichem Leben mit sich bringt. 

Fazit

Die genannten – und notwenderweise stark verkürzten – Beispiele zeigen schon, dass sich ethische Fragen und oft auch ethische Dilemmata quer durch alle gesellschaftlichen Bereiche ziehen und eine abschließende Darstellung hier nicht möglich ist. Ethik ist weder abstrakt, noch reiner Selbstzweck. Ethik ist wichtig, um angemessene Entscheidungen in allen Lebensbereichen treffen zu können – oder es zumindest zu versuchen. 

Berufsethische Grundsätze können hier als eine Art „Vereinbarung über korrektes Verhalten“ innerhalb eines Berufstandes betrachtet werden, und Ansätze zur Orientierung liefern. Es lohnt also in jedem Fall, sich sowohl mit dem Thema Ethik allgemein auseinander zu setzen, sowie zur Berufsethik im eigenen Berufsfeld zu recherchieren und sich weiterzubilden – die genannten Beispiele und Links können euch erste Anregungen dazu geben.

An der HFH könnt ihr zum Themenkomplex Ethik und Nachhaltigkeit sowie zur GWÖ folgende Module als akademische Weiterbildungen belegen:
 

Ethik (Fachbereich Gesundheit & Pflege)

Nachhaltigkeitsmanagement (Fachbereich Wirtschaft & Recht)

Einführung Gemeinwohl-Ökonomie (Fachbereich Wirtschaft & Recht)

Angewandte Gemeinwohl-Ökonomie (Fachbereich Wirtschaft & Recht)

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Thomas Graf
Redakteur