Orientierungswissen

Was ist beim Marketing im Gesundheitswesen zu beachten?

Prof. Dr. iur. Birgit Schröder / Vertr.-Prof. Dr. rer. pol. Christian Boris Brunner
Ältere Dame und Krankenschwester sitzen gemeinsam an Tisch vor Notebook

Warum „einfach gut zu sein“ oft nicht mehr reicht

Braucht Gesundheit wirklich Marketing? Oder reicht es nicht völlig, wenn eine ärztliche Behandlung oder eine Therapie einfach nur wirksam ist und den Patient:innen Linderung ihrer Leiden verschafft?

Nach wie vor streiten sich darüber die Geister. Bei vielen Leistungserbringern, vor allem im niedergelassenen Bereich, ist alles, was mit Marketing zu tun hat, immer noch verpönt oder wird wenigstens sehr kritisch beäugt.

Viele hoffen, dass es genügt, einfach gut zu sein und vertrauen darauf, dass sich Qualität letztlich immer durchsetzt. Doch umgekehrt steht die Frage im Raum: Was bringt die beste Medizin, wenn keiner weiß, dass es sie gibt?

Auch im Gesundheitswesen existiert marktwirt­schaft­licher Wettbewerb

Tatsächlich ist bereits seit Jahren im Gesundheitswesen eine zunehmende marktwirtschaftliche Orientierung zu beobachten. Auch Gesundheitseinrichtungen stehen heute zueinander im Wettbewerb – und zwar nicht nur um ihre Patient:innen, die letztlich über die Krankenkassen die Praxen und Krankenhäuser finanzieren, sondern auch um die Beschäftigten, die in Zeiten von Fachkräftemangel nicht mehr ohne Weiteres verfügbar sind.

Was also tun, um als Arzt oder Ärztin, als Therapeut:in oder als Pflegedienstleister:in auf sich und seine Leistungen aufmerksam zu machen und dabei seine Angebote sinnvoll und rechtssicher zu kommunizieren?

Das Health Care Marketing und seine Besonderheiten

Lässt man die Pharmabranche und Hersteller medizinischer Geräte einmal außer Acht, geht es im Gesundheitssektor vorrangig um „Dienstleistungen“ und damit um ein immaterielles Gut. Das Marketing im Gesundheitswesen, oder auch „Health Care Marketing“, kann man deshalb als eine Form des Dienstleistungsmarketings bezeichnen.

Da Patient:innen in der Regel medizinische Laien sind, ist es für sie schwierig, die Qualität einer ärztlichen oder therapeutischen Behandlung und die Qualifikationen ihrer Behandler zuverlässig einzuschätzen. Dabei spielt gerade im Bereich der eigenen Gesundheit das Vertrauen der Patient:innen in die behandelnden Personen und ihre Fähigkeiten eine zentrale Rolle.

Empfehlungsmarketing: Die Meinung anderer

Viele orientieren sich deshalb an den Meinungen anderer: Zum einen im privaten oder beruflichen Umfeld, wo vertraute Personen um Einschätzungen gebeten werden, zum anderen im Internet, wo Rezensionen von Praxen und anderen Behandlungseinrichtungen heute eine immer wichtigere Rolle spielen.

Dass Arztpraxen oder Therapieeinrichtungen heute fast ebenso selbstverständlich gegoogelt werden wie Konsumprodukte, führt dazu, dass Patient:innen sich besser informiert fühlen und verschiedene Angebote vergleichen. Aus Sicht der Behandelnden wird damit der eigene Auftritt im Netz und das Empfehlungsmarketing durch Bewertungen und Rezensionen immer bedeutsamer, denn um Neupatient:innen zu erreichen, muss die eigene Sichtbarkeit erhöht werden.

Allerdings lässt sich bei vielen Beschäftigten in Gesundheitseinrichtungen oft auch heute noch Zurückhaltung erkennen. Aus Angst vor Fehlern und oder teuren Abmahnungen werden viele Marketingmaßnahmen gar nicht erst gestartet und lieber darauf verzichtet, über die eigenen Angebote zu kommunizieren.  

Oft liegt diese Vorsicht daran, dass Unsicherheit herrscht – darüber, was beim Marketing im Gesundheitswesen überhaupt erlaubt ist und worauf man besser verzichten sollte. Daher lohnt ein Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Darf im Gesundheitswesen überhaupt geworben werden?

Die kurze Antwort lautet „Ja, aber…“. Die Zeiten, in denen grundsätzlich nicht geworben werden durfte, sind vorbei. Aber dennoch halten sich weiter Gerüchte, dass Marketing im Gesundheitswesen rechtlich unzulässig oder zumindest unethisch wäre.

Nach wie vor verboten sind irreführende Werbebotschaften. Wer allerdings sachlich über sein Behandlungsspektrum informiert, hat nichts zu befürchten.

Rechtlicher Rahmen für das Gesundheitsmarketing

Den rechtlichen Rahmen für Werbemaßnahmen von Ärzt:innen oder Krankenhäusern bilden die gesetzlichen Grundlagen in folgenden Bereichen:

  • Das ärztliche Standesrecht in Form der Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte bzw. den jeweiligen Berufsordnungen der Ärztekammern in den Bundesländern,
  • das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das
  • Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Während das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb für Werbende aller Branchen gegenüber allen Adressaten gilt, hat das Heilmittelwerbegesetz insbesondere die Werbung im Gesundheitswesen gegenüber medizinischen Laien zum Gegenstand.

Hintergrund des Heilmittelwerbegesetzes ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass Menschen in Not besonders anfällig für Werbeversprechen sein können. Diese gelte es besonders zu schützen und nur das zu versprechen, was wirklich belegbar ist.

Das Beispiel zeigt, dass nicht nur wichtig ist, wer wirbt, sondern auch, wer die jeweiligen Adressat:innen der Werbung und des Marketings sind – etwa Laien oder Expert:innen.

Im Gesundheitswesen müssen Werbung und Marketing sachlich sein

Was sollte man also beachten, wenn man Dienstleistungen aus dem Gesundheitsbereich kommunizieren möchte? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit können folgende Punkte als erste Richtschnur dienen:

  • Unwahre Angaben oder solche, die zur Täuschung dienen können, dürfen nicht verwendet werden. Verwirrende und vergleichende Werbung sollte unterbleiben.
  • Potenziell irreführende Werbebotschaften sind zu unterlassen; dazu zählen auch Übertreibungen, die sich meist an Superlativen, dem Versprechen von Erfolgsgarantien oder dem Anpreisen von „Wundermitteln“ erkennen lassen.
  • Werbung mit der therapeutischen Wirksamkeit muss dann unterbleiben, wenn sie nicht belegbar ist.
  • Heilversprechen und Garantien müssen unterbleiben; generell sollten keinesfalls Erwartungen geweckt werden, die sich nicht erfüllen lassen.
  • Nebenwirkungen, mögliche Komplikationen und Risiken müssen angesprochen werden.
  • Therapien sollen nur sachlich beschrieben, nicht marktschreierisch angepriesen werden.
  • Generell gilt, auch über das Gesundheitswesen hinaus: Alle Handlungen, „die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbraucher:innen auszunutzen“ sind zu unterlassen.

Was man im Gesundheitswesen unbedingt vermeiden sollte, sind Formulierungen, die Versprechungen beinhalten, beispielsweise:

  • „schnelle Hilfe bei Beschwerden“
  • „sanfte und risikolose Behandlung“
  • „sichere Linderung der Beschwerden“
  • „schmerzfreie Untersuchung“
  • „Indikationen, Anwendungsgebiete“

 

Wie können Praxen und Krankenhäuser beim Marketing vorgehen?

Wenn es also im Gesundheitsmarketing generell geboten ist, sachlich und wahrheitsgemäß zu informieren, sollte man als Anbieter gesundheitlicher Dienstleistungen überlegen, was genau das eigene Angebot besonders und unterscheidbar macht.

Dabei kann es helfen, sich selbst folgende Fragen zu beantworten:

  • „Warum gibt es uns?“
  • „Für welche Leistungen stehen wir?“
  • „Was können wir besonders gut?“
  • „Wie grenzen wir uns von ähnlichen Anbietern ab?“
     

Auf diese Weise wird das Alleinstellungsmerkmal („Unique Selling Proposition“) der Praxis/des Krankenhauses gefunden, das dann an Patient:innen kommuniziert werden kann. Darüber hinaus spielt heutzutage auch der „Purpose“, also der Grund, warum eine Person einem bestimmten Beruf nachgeht oder warum eine Marke überhaupt existiert, eine wichtige Rolle.

Ärzt:innen und Krankenhäuser sollten kommunizieren, warum ihre Praxis existiert und welchen Sinn sie verfolgen. Das baut Nähe und Empathie auf und zeigt, dass die Behandelnden gezielt auf die Bedürfnisse und die Situationen ihrer Patient:innen eingehen können. 

Schlussfolgerungen

Werbeaussagen im Gesundheitswesen – egal, ob in Flyern, auf der Website oder auf Instagram – benötigen eine wissenschaftliche Grundlage. Ansonsten drohen Verstöße gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und das Heilmittelwerbegesetz.

Es reicht nicht allein, dass gute Erfahrungen mit einer bestimmten Behandlung gemacht worden sind, denn Erfahrungsberichte von Kolleg:innen und/oder Patient:innen stellen keinen wissenschaftlichen Beleg dar. Wenn eine Wirkungsweise wissenschaftlich umstritten ist, ist demnach ein Hinweis erforderlich, etwa, dass auch „Gegenmeinungen“ existieren. 

Und selbst dann, wenn durch Marketingmaßnahmen keine Heilung in Aussicht gestellt wird, ist grundsätzlich Vorsicht geboten: Denn im Gesundheitswesen gelten sehr strenge Maßstäbe bezüglich der Richtigkeit jeder Werbeaussage mit dem Ziel des Verbraucher- bzw. Patientenschutzes.

Nach dem Heilmittelwerbegesetz unterliegen alle gesundheitsbezogene Werbeaussagen strengen Anforderungen. Sie müssen „wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen“ entsprechen. Liegen diese nicht vor, muss darauf hingewiesen werden. Wer das nicht beachtet, dem drohen unter Umständen teure Abmahnungen.

Für das Marketing im Gesundheitswesen ist es also besonders wichtig, dass man die Spielregeln kennt und einhält – dann bietet es grundsätzlich Chancen auf mehr Erfolg. Fest steht: Mit belegbaren (Werbe)-Aussagen und der entsprechenden Leistung überzeugt man letztlich eindeutig mehr, als mit gut klingenden aber haltlosen Versprechungen.

Prof. Dr. iur. Birgit Schröder
Studiengangsleitung Management im Gesundheitswesen (M.A.)
Portrait Prof. Dr. Christian Brunner
Vertr.-Prof. Dr. rer. pol. Christian Boris Brunner
Vertretungsprofessor mit Studiengangsleitung Brand Strategy (in Vorbereitung)