Irene Wert

„Plötzlich selbst die Schülerin zu sein, hat mich sehr bereichert“

Als Irene Wert 2019 ihr Studium an der HFH aufnimmt, sitzt die Lehrerin für Pflegekräfte schlagartig selbst wieder auf der „Schulbank“. Ein Perspektivwechsel, der ihr mehr Verständnis für ihre Schüler:innen lehrte. Was sie sonst noch aus ihrem Studium an der HFH mitnimmt, erzählt sie hier.

 

Irene Wert

Irene Wert ist 47 Jahre alt, als sie nach langem Überlegen ihr Fernstudium an der HFH aufnimmt. Sie ist da bereits seit über 20 Jahren erfolgreich in ihrem jetzigen Beruf als Lehrkraft an einer Berufsfachschule für Pflegekräfte, führt ein gesettletes Leben mit zwei erwachsenen Töchtern, Ehemann und einer Enkelin.

Für Irene Wert keine hinderliche, sondern eine spannende Tatsache: „Also ich finde es echt faszinierend in einem Satz zu sagen: Ich bin Oma und ich studiere!

2019 beginnt sie ihr Bachelorstudium Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe an der HFH · Hamburger Fern-Hochschule – und startet so richtig durch.

Super Noten, Wissenschaftspreis und jede Menge gutes Feedback. Klar, dass sie sich nun auch für ein Masterstudium Berufspädagogik eingeschrieben hat.

Hier erzählt uns Irene Wert, wie sie zur HFH gekommen ist, was ihr Erfolgsrezept ist und wie sie es schafft, Arbeit, Privatleben und Studium unter einen Hut zu bekommen.

Frau Wert, zuallererst einmal herzlichen Glückwunsch! Sie haben kürzlich den Agaplesion Wissenschaftspreis für Ihre Bachelorarbeit erhalten, in der Sie sich mit den sprachlich-kulturellen Herausforderungen für Pflegeauszubildende mit Migrationserfahrung auseinandersetzen. Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

Vielen Dank. Tatsächlich hat das Thema mich gefunden. Die Zahl der Auszubildenden, die in anderen Ländern geboren sind, ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen. Und damit auch die Herausforderungen für die Lehrkräfte.

Ich unterrichte das Thema "Kultursensible Pflege" nun schon lange und erfahre so im Unterricht sehr viel darüber, was die Schüler mit Migrationserfahrung bewegt. Und so war es naheliegend, dass ich meine Bachelorarbeit zu diesem Thema schreibe und die Beobachtungen und Erzählungen auf die wissenschaftliche Basis stelle.

Während des Verfassens der Bachelorarbeit, der Recherche und der Interviews mit den Auszubildenden, habe ich dann auch sehr viel über mich selbst gelernt.

Wie meinen Sie das?

Sprachliche und kulturelle Barrieren sind etwas, was ich selbst sehr gut kenne. Ich bin 1989 als Jugendliche mit meiner Familie aus Kasachstan nach Deutschland gekommen und habe dann hier eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht.

Ich war damals die Einzige in der Klasse, die Migrationserfahrung hatte. Niemand sonst in der Klasse stieß an die sprachlichen und kulturellen Barrieren, die mir begegneten. Das war mir damals aber noch nicht so bewusst. Erst heute ist mir klar, dass sich kulturelle Prägung nicht einfach ablegen lässt, häufig aber im Verborgenen wirkt.

Die Wahl meines Bachelorarbeitsthemas wurde also sicher auch durch meine eigene Migrationserfahrung beeinflusst. Denn wenn man nach dem Verborgenen sucht, ist die eigene Erfahrung durchaus hilfreich.

Sie sind ja nun schon über 30 Jahre in Deutschland, seit über 20 Jahren als Lehrkraft an der Berufsfachschule, an der Sie auch Ihre Ausbildung gemacht haben. Ihre zwei Kinder sind erwachsen, Sie haben einen sicheren Arbeitsplatz. Wieso haben Sie sich vor vier Jahren entschieden, ein Studium zu beginnen?

Ich hatte früher schon immer mal überlegt, zu studieren. An unserer Schule bin ich die einzige Lehrkraft ohne pädagogische Ausbildung. Ich wollte lernen! Als Lehrerin habe ich das ständige Lernen und Erarbeiten ja auch in mir drin.

Erst habe ich überlegt, eine Weiterbildung zu machen, habe aber nie das Richtige gefunden. Ein Studium habe ich aber auch immer wieder verworfen. Ich hatte Kinder zu betreuen, spreche kein Englisch und habe kein Abitur. Dann die finanzielle Belastung. Für ein Vollzeitstudium hätte ich meinen Job aufgeben müssen, das wäre nicht denkbar gewesen.

Dass es so etwas wie ein Fernstudium gibt, war mir da noch nicht bekannt.

Wie kamen Sie dann am Ende doch zur HFH?

Eine Kollegin fragte mich, ob ich nicht studieren wolle. Erst war ich niedergeschlagen, weil ich dachte, jetzt muss ich wieder erklären, warum ich nicht studieren kann. Aber dann gab sie mir den Tipp mit dem Fernstudium. Das war neu für mich.

Und da wurde der Stein, der schon länger lag, durch die Bemerkung der Kollegin ins Rollen gebracht. Ab da ging es schnell. Ich recherchierte. Und bei der HFH war es dann Liebe auf den ersten Blick.

Das ist schön zu hören! Aber wieso das?

Das fing bei dem Studiengang an. Berufspädagogik mit Fachrichtung Pflege – da dachte ich „Das passt genau auf mich!“

Dann rief ich im Studienzentrum in Hamburg-Alsterdorf an. Dieses Telefonat war auch sehr bestärkend.

Und dass ich ohne Abitur und Englischkenntnisse studieren konnte, war perfekt für mich. Außerdem gibt es die Möglichkeit, Module zu schieben und Klausuren zu wiederholen. Die ganze Flexibilität des Studiums an der HFH ist einfach super für die Integration in das eigene Leben. Das erschien mir alles sehr machbar.

Also habe ich nicht lange überlegt. Der Tipp meiner Kollegin kam im Februar 2019. Im März 2019 habe ich mich angemeldet.

Das klingt wirklich wild entschlossen. Konnten Sie sich Ihren Elan denn bis jetzt erhalten?

Ja, auf jeden Fall. Mir war von Anfang an klar: Es ist kein Sprint, es ist ein Marathon. Man braucht einen langen Atem.

Und da ich auch noch einen Master anschließen wollte, wenn es gut klappt, war mir unglaublich wichtig, da den Spaß an der Sache nicht zu verlieren.

Wie schaffen Sie das?

Wichtig sind für mich Regelmäßigkeit und sich selbst einen Plan zu erarbeiten. Ich mache mir immer To-Do-Listen mit klar formulierten Zeiten und Zielen.

Ich lese beispielsweise nicht in langen Blöcken am Wochenende in den Studienbriefen, sondern regelmäßig über die Woche verteilt und so tue ich immer wieder in kleinen Häppchen etwas für mein Studium.

Oder ich mache mir beispielsweise einen Plan, fünf Stunden in der Woche etwas für eine Hausarbeit zu tun. Nicht einmal in einer Hauruck-Aktion, sondern in verträglichen Portionen, um den Spaß nicht zu verlieren.

Wichtig ist dabei aber auch die Einstellung. Es ist besser, wenn man sich beim Pläne machen sagt „ich möchte“, statt „ich muss“.

Das klingt sehr strukturiert. Haben Sie noch weitere Tipps für Ihre Kommiliton:innen diesbezüglich?

Ja, soziale Netzwerke nutzen und sich trauen, um Hilfe zu bitten! Wenn es jemanden im eigenen Umfeld gibt, der bei einer Sache, wie zum Beispiel technischen Dingen, helfen kann, sollte man das auch annehmen. Das spart Zeit und Ressourcen. Es ist okay, nicht alles zu können.

Und ganz wichtig: Gnädig mit sich sein. Wenn ich es eine Woche mal nicht schaffe, meine gesetzten Ziele zu erreichen, schiebe ich das nicht auf und versuche dann nächstes Mal mehr zu schaffen. Dann bin ich gnädig mit mir und akzeptiere das. Wenn es nicht geht, dann geht’s nicht.

Und nicht zuletzt: Ausgleich schaffen. Wenn beispielsweise meine Enkelin kommt, lasse ich alles stehen und liegen. Die geht vor! Das Privatleben ist auch wichtig.

Apropos Privatleben – wie hat denn Ihre Familie reagiert, als Sie mit Mitte 40 noch ein Studium aufgenommen haben?

Meine Familie hat mich von Anfang an bei meinem Vorhaben zu studieren unterstützt und sie helfen mir mit allen Problemen fertig zu werden, egal, ob es um technische Hindernisse oder das richtige wissenschaftliche Arbeiten geht.

Meine beiden Töchter waren bzw. sind selbst Studentinnen, sie wissen um die Herausforderungen im Studium. Dass die Rollen nun manchmal umgekehrt sind und ich von ihnen lerne, ist eine besondere und wertvolle Erfahrung für mich.

Und mein Mann hält mir bei allem den Rücken frei und hilft mir bei allem Technischen – das ist nicht meine Stärke.

Sie alle freuen sich mit mir über meine Erfolge, sind stolz auf mich und ermutigen mich immer wieder aufs Neue, die Dinge anzupacken.

Was würden Sie sagen, hat Ihnen Ihr Studium gegeben?

Mehr Verständnis gegenüber meinen Schüler:innen. Plötzlich zuhören zu müssen, auch weniger interessante Vorträge zu hören, auf harten Stühlen zu sitzen, für Klausuren zu lernen und so weiter – das war ein wertvoller Perspektivwechsel.

Neben der Tatsache, dass ich im Studium von meiner praktischen Erfahrung profitiere und umgekehrt, hat mir dieses Studium aber vor allem eines gegeben: Selbstbewusstsein. Und zwar mehr als alle erfolgreichen Abschlüsse davor und die über 20 Jahre Lehrtätigkeit zusammen.

Nachdem ich die Jahre vorher so unsicher war, ob ich studieren kann, habe ich nun so eine starke Unterstützung, so viel Zuspruch, so viele Erfolge und ich habe immer wieder das Gefühl: Ich hab’s geschafft!

Außerdem stelle ich auch immer wieder fest, dass die Tatsache, dass ich in meinem Alter neben dem Beruf noch erfolgreich studiere, bei den Menschen in meiner Umgebung Bewunderung auslöst.

Was würden Sie denn all jenen raten, die noch am Überlegen sind, ob sie ein Fernstudium aufnehmen möchten?

Wenn finanziell alles geklärt ist: Machen! Das Fernstudium an der HFH lässt sich viel besser mit Privatleben und Arbeit vereinbaren als ein Vollzeitstudium. Es lässt sich flexibel an die eigenen Bedürfnisse und die eigene Lebensplanung anpassen, ohne dass man sich zwischen Arbeit und Studium oder Familie und Studium entscheiden muss.

Und besonders allen Frauen mit Kindern möchte ich sagen: Ihr könnt das! Mir begegnen so viele Frauen, die nicht an ihre eigenen Fähigkeiten glauben. Das kann ich gut nachvollziehen, weil es mir genauso ging. Aber ich möchte sagen: Guckt mal, was ihr bisher geschafft habt! Ihr könnt organisieren, das allein ist schon die beste Voraussetzung für ein Studium! Und ein Studium kann einem so viel geben.

Für mich war es die beste Entscheidung, mit 47 noch ein Studium anzufangen. Ich sage immer: Alles hat seine Zeit. Und wenn die Zeit gekommen ist, läuft es wie am Schnürchen!

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Frau Wert. Wir wünschen Ihnen für Ihr Masterstudium und Ihre Zukunft alles Gute!

Das Interview führte unsere Redakteurin Mareike Bock.

Hier geht's zum Bachelor Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe

Und hier geht's zum Master Berufspädagogik

Weitere Erfolgsgeschichten

Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe (B.A.)

Stephanie Petry

Stephanie Petry, B.A.

Ihren Traum, Lehrkraft für Gesundheitsfachberufe zu werden, hielt Stephanie Petry lange Zeit für unerreichbar. Als sie 20 Jahre nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester noch eine Ausbildung zur Operationstechnischen Assistenz sowie eine Weiterbildung zur Praxisanleiterin macht, entfacht der Wunsch durch den Kontakt mit den fachlichen und pädagogischen Inhalten erneut. Und schließlich wagt sie den Sprung: Mit 45 Jahren beginnt sie ihr Bachelorstudium Berufspädagogik an der HFH.

Mehr lesen
Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe (B.A.)

Oliver Blake

Portrait Oliver Blake

Oliver Blake betreibt eine Sanitätsschule, in der sein Team u.a. Erste-Hilfe-Schulungen für Lehrer:innen und Erzieher:innen anbietet. Über die besonderen Anforderungen in diesem Bereich hat der Lehr-Rettungsassistent seine Bachelorarbeit geschrieben – und berichtet hier über seine Erfahrungen im HFH-Fernstudium.

Mehr lesen
Berufspädagogik für Gesundheitsfachberufe (B.A.)

Marei Bayer-Schulz

Im Interview berichtet Marei Bayer-Schulz, wie Sie das Wissen aus ihrem Berufspädagogik-Studium mit ihren beruflichen Tätigkeiten verknüpft.

Mehr lesen